Ein gescheiterter Gegenentwurf zur etablierten Politik

 

WBG_Weisse_9763Von Bürgermeister Alexander Dill erzwungener Verfall und Leerstand An der Weisse. Für Fotografen ein Motiv. Für Anwohner, Stadt und WBG ein sinnloser Akt der Zerstörung

Alexander Dill hat sich im Wahlkampf als Gegenentwurf zur etablierten Politik dargestellt und ist vielleicht auch deshalb gewählt worden – auch wenn viele Wähler das mit den Gegenentwurf wahrscheinlich anders verstanden haben, als es sich nun darstellt. Ein Bericht anhand dreier Beispiele aus dem Arnstädter Stadtrat.

Was die Politik von Alexander Dill tatsächlich ausmacht, bemerkt der Arnstädter zum Beispiel am Streit um die Sanierung der zahlreichen Wohnungen im Straßenzug „An der Weiße“, wo seit Amtsantritt des Bürgermeisters der Stillstand im Herzen der Stadt besonders offenkundig ist.

Dabei will niemand einem neu gewählten Bürgermeister das Recht absprechen, neue Visionen zur Gestaltung des Areals vorzubringen und mit dem Werben für seine besseren Ideen – so die Dill’sche Wahlwerbung – die Mehrheit für sich zu gewinnen.

Nur hat weder die Bevölkerung noch der Stadtrat bisher eine von Dill formulierte Idee wahrnehmen können. Es gab nämlich bislang keine eigenen Vorschläge des Bürgermeisters, sondern nur die Weigerung, die bestehende Beschlusslage mitzutragen. Dafür stehen bei der Wohnungsbaugesellschaft seit drei Jahren Wohnungen leer und Mieteinnahmen bleiben aus.

Viele Dinge stehen unter Bürgermeister Alexander Dill still oder gehen nur sehr langsam voran.

Einmal die Forderung der CDU nach einer städtischen Ordnungssatzung. Ausgangspunkt war die Beschwerde von Bewohnern der Innenstadt, dass in den warmen Sommermonaten regelmäßig auf den Bänken der Fußgängerzonen lautstark Partys gefeiert werden, die man nachts nicht nur hört, sondern auch morgens an den Hinterlassenschaften erkennt.

Beratungen mit Ordnungsamtsleitern anderer Städte und der Polizei haben noch in der Amtszeit von H.C. Köllmer ergeben, dass es sinnvoll wäre, eine Rechtsgrundlage zu schaffen, mit der zum Beispiel der Verzehr von Alkohol auf den Bänken der Fußgängerzone verboten werden kann. Städte wie Ilmenau praktizieren eine solche Ordnung mit Erfolg längst. Die CDU hat den Sachverhalt der Verwaltung nun bereits 3 Jahre lang sehr innig angetragen und die passende Satzung gleich mitgeliefert – beschlussfertig und beim Städte- und Gemeindebund schon rechtlich durchgeprüft.

Zwischenzeitlich hatte sich der zuständige Ausschuss nach mehrfachem Druck zwar mit der Thematik beschäftigt, was genau den Bürgermeister jetzt noch davon abhält, die Satzung im Stadtrat zur Abstimmung zu bringen, weiß er alleine. Aus dem Amtszimmer des Amtsinhabers heißt es, es gäbe noch internen Abstimmungsbedarf. Mit wem, wird nicht verraten.

Thema Nummer zwei ist die Baulücke am Holzmarkt. Nachdem die Untere Denkmalschutzbehörde durch überzogene Auflagen die Sanierung und Weiternutzung des alten Kinos, von den Arnstädtern liebevoll Flohkiste genannt, verhindert hat und das Gebäude schließlich abgerissen worden ist, klafft eine hässliche Baulücke im Herzen der Fußgängerzone.

Während sich die Fraktionen in allen zuständigen Gremien einig sind, dass es der Innenstadt zur Belebung an einem Magneten fehlt, einem Kaufhaus oder wenigstens einem großen Filialisten, der Kunden zieht und damit das Leben der Einzelhändler erleichtert, wuchert inmitten der aufwändig sanierten Fußgängerzone das Unkraut. Nachfragen in jeder Stadtratssitzung brachte die Verwaltung nach rund 2 Jahren immerhin dazu, dem Eigentümer des Grundstückes mit einem Baugebot zu drohen, sollte er es nicht freiwillig bebauen. Im Ergebnis wurde dann ein Schild aufgestellt, dass nun bald gebaut würde, spätestens aber im Jahr 2015. Auch dieses Jahr ist nun vorüber. Von der Verwaltung ist keine Initiative zu erkennen, diesen Zustand zu beenden, obwohl das kommunalrechtliche Werkzeug durchaus vorhanden ist und der Stadtrat Zustimmung signalisiert hat.

Wehe aber, wenn der Bürgermeister handelt.

Es gibt sie doch, die Fälle, in denen Bürgermeister Dill handelt – und wenn es nur darum geht, den Status Quo wiederherzustellen. Ein Beispiel ist die sogenannte Sondernutzungssatzung. Sie gestattet es Gewerbetreibenden, die Flächen vor ihren Geschäften und Lokalen zu nutzen. Eigentlich eine Win-Win-Situation, denn wenn der Gastronom im Sommer einen Tisch vor die Tür stellt, verkauft er vielleicht ein Bier mehr und die Stadt profitiert von der Steuer, die dabei fällig wird.

Jahrelang lief das ohne Probleme, und so fiel auch niemanden auf, dass die Satzung eigentlich eine Anmeldung voraussetzt, formlos und entgeltfrei. Weil Bürgermeister Dill das mit dem Gegenentwurf zur etablierten Politik aber richtig ernst meint, musste es natürlich ein Ende damit haben, dass man einfach so einen Tisch rausstellt oder mit einem Warenaufsteller wirbt.

Nicht ohne Bürokratie: Tisch und Aufsteller vor dem Geschäft

Nun trat das städtische Ordnungsamt in Aktion, das ja freie Kapazitäten hat, weil man sich weder – so eine andere Forderung der CDU – um die Hundehaufenhinterlasser noch um das Alkoholverbot in der Stadt, siehe oben, kümmert, und besuchte die Gewerbetreibenden der Stadt mit der Mitteilung, wenn nicht zukünftig jede Blume, die man außerhalb des Geschäfts zu drapieren gedenkt, angemeldet würde, könne man saftige Strafen verhängen. Und das mit der Entgeltfreiheit der Anmeldung gälte auch nur solange, wie jährlich erneut angemeldet würde.

Eine Anmeldung für mehrere Jahre, die nicht nur dem Gewerbetreibenden sondern auch dem Ordnungsamt Zeit spart, müsse man natürlich kostenpflichtig bescheiden. Im Übrigen möge man das Formular benutzen, welches ja wohl jeder auf der städtischen Internetpräsenz herunterladen könne.

Dass dieses Formular nie existierte, wie auch das Ordnungsamt nach mehreren Anläufen herausfand, ist nur eine Nebenposse des eigentlichen Hauptstückes, welches sich nun entspann. Nachdem der Unternehmerverein sehr deutlich seinen Unmut kundtat und im zuständigen Ausschuss die zwischenzeitlich ergangenen, mehrseitigen Genehmigungsbescheide mit maßstabsgetreuer Zeichnung der einzelnen Stühle und Tische samt Anordnungsvorschrift ernsthaften Fragen nach der möglicherweise zu dicken Personaldecke im zuständigen Fachamt aufwarfen, drohte der Ausschuss dem Bürgermeister an, den zugrundeliegenden Satzungspassus komplett zu streichen.

Dieser versprach daraufhin ein bürgerfreundlicheres Verhalten seiner Verwaltung und eine umgehende Überarbeitung der Satzung. Keine zwei Jahre später fand sich tatsächlich ein novellierter Satzungsentwurf in der Tagesordnung des Stadtrates und wurde, nachdem er sprachlich durch den zuständigen Ausschuss entschärft worden war, auch beschlossen. Was sich dabei geändert hat? Für den Gewerbetreibenden nichts. Wie früher muss er nun seine Außenbestuhlung nicht anmelden, nur dass er dies nun auch formaljuristisch und nicht nur tatsächlich unterlassen kann.

Jedenfalls ist vielen inzwischen klar geworden, dass das mit dem Gegenentwurf zur etablierten Politik vielleicht doch keine so gute Idee war. Vieles stockt, wie diese Beispiele beweisen, auch ohne dass es am Geld mangelte.

Mein Fazit lautet: Bürgermeister Alexander Dill fehlt ein Grundmaß an Fachwissen um Verwaltungsabläufe in der Stadt und im Land, und die Lernkurve ist enttäuschend flach. Nicht nur die Kommunikation nach innen und außen scheint zu haken, auch der Anspruch, bei jeder noch so kleinen Entscheidung selbst das letzte Wort zu haben, lähmt die Verwaltung. So verzehrt das tägliche Verwaltungs-Klein-Klein sämtliche Resourcen, weitergehende Ideen oder Visionen finden nicht statt und rauben Arnstadt die Optionen für die Zukunft.

Arnstadt braucht einen Chef der Verwaltung, der bereit ist vertrauensvoll an seine Verwaltung zu delegieren, mit dem Stadtrat auf Augenhöhe zusammenarbeitet, für die städtischen Unternehmen und Einrichtungen intensiv auch auf Landesebene kämpft und sich bei der etablierten Politik einsetzt für die Belange der Stadt. Dies alles vermisse ich bei Alexander Dill.

 

 

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