TA-watch 7:
Mit sachlicher Berichterstattung „offensichtlich überfordert“

in Zusammenarbeit mit Frank Kuschel //

Abgehängt von Arnstadt.
Erst die Ortsteile, dann eine verantwortliche Berichterstattung

// Regelmäßig berichtet die Lokalredaktion der Thüringer Allgemeinen aus den Sitzungen des Arnstädter Stadtrates, und regelmäßig verbreiten die Redakteure dabei das gleiche Bild: Der Stadtrat will nicht begreifen, was der Bürgermeister als notwendig erkannt hat und opponiert sinnloserweise gegen das Unabwendbare!

In der TA vom 11.12.2015 – es geht um die 5,00 Euro pro Bürger, die Bürgermeister Dill den Ortsteilen der Stadt nicht auszahlen will – liest sich dieser Vorgang so:

„Der Stadtrat könne nun seine (des Bürgermeisters) Beanstandung (…) akzeptieren oder man müsse halt nochmals für den ursprünglichen 5-Euro-Antrag stimmen. Das sei verfahrensrechtlich eben so vorgesehen. Diese Aussage überforderte einige Stadträte offensichtlich. Man stimmte dann aber doch wacker für den ursprünglichen 5-Euro-Antrag und wartet nun auf Post der Kommunalaufsicht.“

Das Ärgerliche an dieser Art der Darstellung eines politischen Disputes ist, dass der Redakteur Michael Keller mit der Formulierung, die Mitglieder des Stadtrates seien „offensichtlich überfordert“, sich seiner journalistischen Verantwortung entledigt, den politischen und rechtlichen Standpunkt der dem Bürgermeister widersprechenden Stadträte ernst zu nehmen und wiederzugeben.

Es gibt nämlich ernst zu nehmende rechtliche und politische Einwände gegen das Agieren des Bürgermeisters. Da diese darzustellen die TA „offensichtlich überfordert“ ist, wollen wir in Arnstadt-wohin? das nachholen und am Fall der Zuschüsse für die Ortsteile Angelhausen-Oberndorf, Siegelbach, Dosdorf, Espenfeld und Rudisleben versuchen, die Lage und den Streit zu erläutern.

A. Die Rechtslage: ohne Begründung wird eine Rechtswidrigkeit unterstellt

Es geht um insgesamt 16.000 Euro, die die Ortsteile seit Jahren regelmäßig erhalten. Der Bürgermeister ist der Ansicht, dass diese Ausgaben keine Pflicht der Stadt sind und deshalb im Rahmen des Haushaltssicherung gestrichen oder gekürzt werden müssen. Die Mehrheit des Stadtrats ist anderer Ansicht und hält diese Ausgaben in voller Höhe, gestützt auf die Thüringer Kommunalordnung und die Hauptsatzung der Stadt, für eine Pflichtausgabe, wie so viele anderen Ausgaben auch, die die Stadt auch 2015 bereits tätigte. Insgesamt übrigens etwa 30 Millionen Euro, wovon die strittigen 8000 Euro 0,026 Prozent darstellen.

Der Bürgermeister hat das Recht, diesen Beschluß des Stadtrates anzufechten, wenn er ihn für rechtswidrig hält. Dann ist es an der Kommunalaufsicht, zu prüfen, ob das der Fall ist. Dafür muß dieser Beschluss durch den Stadtrat aber getroffen und dann der juristische Tatbestand der Rechtswidrigkeit begründet sein. Dill hat in dieser Angelegenheit die Kommunalaufsicht quasi vorbeugend eingebunden, um bestätigt zu bekommen, dass den Ortsteilen in der haushaltslosen Zeit kein Geld zusteht. Ein bemerkenswerter Vorgang. Andere Bürgermeister kämpfen für ihre Gemeinden um jeden Cent!

Die Kommunalaufsicht hat dann  im September 2015 die Rechtsauffassung des Stadtrats bestätigt, auch „während der Zeit der vorläufigen Haushaltsführung (§61 ThürKO) einen pauschaler Betrag je Einwohner an die Ortsteile auszureichen, wenn dies dem politischen Willen der Stadt Arnstadt entspricht. Die Voraussetzung liegt vor.“

Allerdings stellt die Kommunalaufsicht die volle Höhe der Auszahlung in Frage. Das sieht der Stadtrat anders – und hat im November die Auszahlung auf dem Niveau der Vorjahre beschlossen – und rechtlich begründet.

Statt diesem Beschluss zu folgen hat der Bürgermeister mit dem Hinweis auf das Schreiben der Kommunalaufsicht den Beschluss des Stadtrats ohne jede Begründung von dessen Unrechtmäßigkeit beanstandet. Warum?

Weil er weiß, dass es keineswegs gesichert ist, dass die Aufsichtsbehörde diesen Beschluss von sich aus beanstanden wird? Weil es denkbar ist, dass jetzt, wo ein begründeter Beschluss des Stadtrates vorliegt, die Kommunalaufsicht der Rechtsauffassung des Stadtrats folgen könnte?

So passt es ins Bild, dass Alexander Dill in der mündlichen Aussprache der Sitzung des letzten Stadtrates vom 10. Dezember 2015, mehrfach darauf hingewiesen, dass diese behauptete Rechtswidrigkeit nicht begründet sei, unumwunden ausspricht, was sich alle denken: „Ich will diese Ausgaben für die Ortsteile nicht.“ Das ist es also. Von wegen rechtswidrig.

B. Die politische Lage: keine Entlastung, aber Bedrohung der kommunalen Selbstverwaltung

Nach Auffassung der Fraktionen Pro Arnstadt, LINKE und CDU ist trotz vorläufiger Haushaltsführung auch für das Jahr 2015 eine Ausstattung der Ortsteile mit den in der Vergangenheit ausgezahlten 5 Euro pro Einwohner notwendig. Die Ortsteile benötigen diese sowieso eigentlich zu geringen Beträge, um soziale Aktivitäten und ihre Vereine zu unterstützen.

Denn auch ohne funktionierende Ortsteilräte sind die Aufgaben und Probleme ja nicht weg. Dies kann neue Kosten verursachen. Die Kürzung der Ortsteilmittel wird nach Überzeugung des Stadtrates die Haushaltslage der Stadt nicht verbessern.

Ohne das Geld besteht auch die Gefahr, dass die rechtlich gewollte kommunale Selbstverwaltung der vier Ortsteilräte keine Substanz mehr hat. Die Ortsteile und die ehrenamtlich tätigen Bürger spüren die Respektlosigkeit solcher Beschlüsse der Stadt Arnstadt vor ihrem Engagement. Resultat: Künftig werden sich weniger Bürgerinnen und Bürger finden, die in den Ortsteilräten und Vereinen mitarbeiten wollen.

Schließlich ist die Mittelkürzung auch mit Blick auf die anstehende Gebietsreform wenig hilfreich. Die Bereitschaft der Umlandgemeinden, freiwillig den Zusammenschluss mit Arnstadt zu suchen, wird kaum funktionieren, wenn die Gemeinden befürchten müssen, nicht einmal eine Mindestfinanzausstattung zu bekommen.

C. Was will Bürgermeister Dill?

Das eigentliche Rätsel ist somit nicht, warum der Stadtrat auf der Auszahlung dieser 8000 Euro beharrt, sondern warum der Bürgermeister unbeeindruckt von allen rechtlichen und sachlichen Argumenten diese Beiträge nicht auszahlen will. Glaubt er wirklich, diese 8000 Euro nicht auszuzahlen verbessert die finanzielle Situation der Stadt?

Oder geht es um einen Machtkampf, um ein Prinzip, das es durchzusetzen gilt, nämlich dass sich ein Bürgermeister Alexander Dill nicht von ehrenamtlich wirkenden Mitgliedern eines Stadtrates in der Art und Weise eingeschränkt sehen will, wie er sein Amt selbstherrlich führen möchte? L’Etat, c’est moi, wußte schon der französische Sonnenkönig Ludwig XIV: Ich bin das Recht. Das war allerdings in der Zeit des Absolutismus.

Wie auch immer, der Bürgermeister hat sein Ziel vermutlich erreicht, denn er spielt auf Zeit. Die Ortsteile werden über die 2,50 EUR für jeden Einwohner hinaus nichts mehr erhalten. Denn das Haushaltsjahr ist so gut wie vorbei und damit ist eine Auszahlung bald nicht mehr möglich.

D. Was will die Thüringer Allgemeine in Arnstadt?

Das zweite Rätsel lautet: was will die Lokalredaktion der Thüringer Allgemeinen? Sind die Redakteure, namentlich Brit Mandler und Michael Keller, die in ihrer Berichterstattung unbeirrt und hemmungslos den Bürgermeister hoch und den Stadtrat runterschreiben, tatsächlich überfordert, den jeweiligen politischen und rechtlichen Sachverhalt differenziert nachzuverfolgen und wiederzugeben? Sind sie überfordert, zu trennen zwischen der Berichterstattung und ihrem persönlichen Kommentar?

Es erscheint tatsächlich so. Nicht dass diese Redakteure intellektuell dazu nicht in der Lage wären. Aber den Verästelungen komplexer Sachverhalte zu folgen, diese zu verstehen und dann auch noch nachvollziehbar aufzuschreiben, kann richtig Arbeit machen! Da ist es doch viel einfacher, sich bei der journalistischen Berichterstattung an den Verlautbarungen aus dem Büro des Bürgermeister zu orientieren und einfach mal davon auszugehen, dass der schon wissen wird was er tut. Dann ist das Verhältnis zum Inhaber der Macht auch stressfreier. Immerhin gibt man diesem als Hofberichterstatter ja fast täglich die Hand.

So erzeugt eine Lokalredaktion die Klimavergiftung, über die sie sich dann beschwert. So geht Journalismus, der Gräben aufreißt, statt Aufklärung zu betreiben und damit seiner öffentlichen Verantwortung als „Vierter Gewalt“ gerecht zu werden. Der Arnstädter Stadtrat hat diese pauschale  Stimmungsmache gegen ihn jedenfalls nicht verdient.

Ein Gedanke zu “TA-watch 7:
Mit sachlicher Berichterstattung „offensichtlich überfordert“

  1. Toller Artikel! Sachlich richtig (Sollten sich hauptberufliche Journalisten ein Beispiel dran nehmen) aber schön spitz formuliert. Solche Autoren stünden der TA gut zu Gesicht.

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