// Es ist beschlossen: Vor den Toren Arnstadts, in unmittelbarer Nachbarschaft zu N3, entsteht auf den Feldern Richtung Rehestädt eine der weltgrößten Fabriken für Akkumulatoren, wie sie für E-Mobilität auf vier Rädern benötigt wird.
Erstmalig findet damit ein Großinvestment Chinas in Europa statt, das die Richtung des Transfers von Knowhow umdreht: Contemporary Amperex Technology Limited (CATL) ist Weltmarktführer nicht nur in der Ni-NMC-Batterietechnik, die heute in E-Autos zum Einsatz kommt, sondern auch an der Spitze bei der Erforschung alternativer Speichertechnologien.
Die Bedeutung dieser Fabrik für die Stadt Arnstadt, Thüringen, Deutschland und Europa ist in mehrfacher Hinsicht kaum zu überschätzen. Denn es geht hierbei nicht nur um ca. 2000 neue Arbeitsplätze, die mittelfristig entstehen sollen, nicht nur um neue verkehrstechnische Herausforderungen oder um einen absehbaren Zuzug in die Region und nach Arnstadt.
China im Land der gescheiterten Flughäfen
Es geht bei einem solchen Großprojekt immer auch um Politik. In diesem Fall: Weltpolitik. China testet mit CATL seine Fähigkeit und seinen Willen, in Deutschland mit all seinen bürokratischen, umweltpolitischen und sozialen Hürden erfolgreich Fuß zu fassen. In einem Land immerhin, in dem der Brandschutz über 10 Jahre die Fertigstellung eines Flughafens verhindert, während derer in China ca. 25 Airports der Größe des BER geplant und eröffnet wurden!
China will diesen Test, weil klar ist, dass eine dauerhaft erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen der EU und dem Land der Mitte nur möglich ist, wenn die Kapitalinvestitionen in beide Richtungen verlaufen. Es will diesen Test auch, weil eine europäisch-chinesische Zusammenarbeit essentiell ist für die Behauptung Chinas gegenüber den weltpolitischen Herausforderungen, die ihnen die USA zukünftig aufmachen werden.
In anderen Worten: Wir hier in Arnstadt sind seit heute Teil bzw. Brückenkopf des bedeutendsten geostrategischen Projektes der Chinesen, der Neuen Seidenstraße. https://www.mdr.de/thueringen/thueringen-china-seidenstrasse-wirtschaft-100.html
Es geht um mehr als Geld
So ist es nicht verwunderlich, dass, kaum war der CATL Beschluss öffentlich, die New York Times in Arnstadt aufschlug und dort ein Stimmungsbild einsammelte von vielen Beteiligten aus Politik und Wirtschaft.
Die USA sehen das chinesische Investment kritisch, als offenes Einfallstor für China in den NATO-Partner Deutschland und EU, und so titelte die NYT in ihrer Print-Ausgabe vom 3. September 2019:
German town opens door to Chinese money
und im Vorspann heißt es:
Embrace of new factory illustrates believe in Europe that jobs beat geopolitics
Aus geopolitischer Sicht nämlich, davon ist die NYT überzeugt, dürfte Deutschland den Chinesen dieses Fußfassen eigentlich gar nicht erlauben.
Unabhängig davon, wie man diese amerikanische Sicht auf Arnstadt (das hier freilich gar nicht Subjekt ist) beurteilt, bezieht sich dieser Artikel zurecht auf die geopolitische Dimension der CATL-Fabrik.
Die öffentliche Präsentation des Projektes durch Vertreter der Thüringer Landesentwicklungsgesellschaft (LEG) und des Thüringer Wirtschaftsministeriums (TMWWDG) einerseits und der Chinesen andrerseits im ehemaligen Bosch- bzw. Solarworld-Gebäude am 25. September 2019 zeigte, wie weit beide Seiten bereits zusammengewachsen sind.
Das CATL-Projekt ist nicht nur von der europäischen Automobilindustrie gewünscht und von der EU begrüßt und gefördert. Es ist inzwischen ein deutsches und thüringisches Staatsprojekt. Hier in Arnstadt gehen China und Europa einen großen Schritt aufeinander zu. Wohin, und ob das überhaupt funktionieren wird oder eher zu einem clash of cultures führt, wird sich zeigen. Aber der Wille dazu ist unbedingt.
Was bedeutet das für Arnstadt?
Das chinesische Investment in Thüringen hat Pilotcharakter. Es wird in China mit hoher Aufmerksamkeit verfolgt werden, auch über die Automotive-Branche hinaus. Der Name unserer Stadt wird ab heute verbunden sein mit dem Stolz der Chinesen, in Deutschland (dessen Kultur von Bach bis Bauhaus sie bewundern) der Welt zu zeigen, wie man erfolgreich Batterien baut, die dann in BMW, Mercedes und Porsche zum Einsatz kommen.
Die Stadt Arnstadt, deren Existenz in Hamburg, Köln oder München bis heute kaum jemand wahrgenommen hat, wird in China bekannt werden. Die Chinesen werden hierher kommen, wo ihre Landsleute bereits leben. Chinesische Journalisten und Tourismus-Experten werden zuhause berichten, welche Städte und Sehenswürdigkeiten man sich anschauen sollte, und es werden Bilder gemacht werden, die für Thüringen und Arnstadt stehen. Die Stadtverwaltung und das touristische Management des Landes Thüringen ist gut beraten, sich beraten zu lassen.
In anderen Worten:
Kann hier jemand chinesisch?
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