Die unendliche Geschichte des Citymanagers in Arnstadt

Die Arnstädter Innenstadt ist stark – in Mode. Eine Profilierung als „Modemeile Arnstadt“ könnte ein Projekt für einen Citymanager sein. Hier: Kathrin Cagnin und Silvana Mohring von Auguste&Eugenie
Arnstadt, den 7. Januar 2021 // 

Seit Jahren laboriert die Stadt Arnstadt daran herum, einen Innenstadt- oder „City“-Manager einzustellen und gefördert zu bekommen. Gebrauchen könnten wir ihn gut – noch dazu, wo die Stadt seit fünf Jahren ohne Stadtmarketing ist. Dass Arnstadt mehr Potential hat, als es nutzt, darin sind sich viele einig. Doch was genau bedeutet das? Wie hebt man dieses Potential?

Gesucht ist ein erfahrener Mann oder ein Frau, der/die nachweislich in anderen Städten etwas bewegt hat, die etwas von Leerstands-Management, lokalem Online-Handel, regionaler Profilierung, zeitgenössischer Gastro-Kultur oder urbanen Aufenthaltsqualitäten versteht und alle Akteure zusammenbringen kann.

Eine Chronik.


2017 
Angesichts des zunehmenden Leerstandes in der Arnstädter Innenstadt trat die Stadtverwaltung unter Bürgermeister Alexander Dill im Jahre 2017 an die CIMA heran, ein bundesweit tätiges Unternehmen, das spezialisiert ist auf Beratung von Kommunen und ein breits Portfolio erfolgreicher Initiativen zur Belebung von Innenstädten vorweisen kann. Eine Entscheidung, die gut und richtig war:  https://www.cima.de

Vereinbart wurde, einen Arbeitskreis zu gründen aus Vertretern der Händlerschaft, der Gastwirte, des Unternehmervereins und der Verwaltung. Ziel war es, festzustellen, ob es in Arnstadt Bedarf nach einen Citymanager gäbe, und wenn ja, mit welchen Aufgaben. 

2018 
Der erste Arbeitskreis unter der Leitung des erfahrenen Stadtentwicklers Dr. Manfred Bauer aus Leipzig fand am 8. Januar 2018 statt. Ein zweiter und letzter Arbeitskreis folgte am 27. März 2018. Im Rahmen der Organisationsberatung für das Citymanagement wurden darüber hinaus im Juni und Juli 2018 zehn Expertengespräche geführt, unter anderem mit Vertretern des Unternehmervereins und der Stadtverwaltung. Am 17. Juli 2018 fanden sogenannte „absatzpolitische Beratungen“ bei fünf Einzelhändlern und zwei Dienstleistern statt. Der Bericht der CIMA wurde im Oktober 2018 erstellt und ist als web-PDF hier abrufbar:
https://arnstadt-wohin.de/wp-content/uploads/2021/01/1810_Arnstadt_Citymanagement_2018_klein.pdf

Der Bericht umfasst 113 Seiten und hält neben vielen inhaltlichen Punkten auch wichtige verfahrenstechnische Details fest, darunter dass 

der Citymanager beim Unternehmerverein Arnstadt e.V. angestellt“ wird (S. 39) 
sowie die Festlegung, dass 
die Stadtverwaltung die STELLENAUSSCHREIBUNG für den Citymanager/die Citymanagerin und das Personal-Auswahlverfahren“ vorbereite. (S. 39) 

Die CIMA hatte weiterhin der Stadt Arnstadt, inzwischen unter der Leitung von Frank Spilling, angeboten, den Prozess der Ausschreibung und Auswahl des Citymanagers zu betreuen, da, so Dr. Bauer, es „in Deutschland vielleicht 100 Leute gibt, die dem von uns gemeinsam definierten Anforderungsprofil gerecht“ würden. 

Die Festlegung des CIMA-Abschlussberichts (der UVA sei Träger der Maßnahme) ist, wie wir heute wissen, voreilig gewesen, da eine Beauftragung nur auf dem Wege einer europaweiten Ausschreibung möglich gewesen wäre (hierzu später). 
Zugleich geht der CIMA-Abschlussbericht jedoch davon aus, dass die eigentliche Personalie Citymanager nur durch eine noch zu erstellende öffentliche Ausschreibung zu entscheiden sei, da aufgrund der Anforderungslage hier eine besondere Kompetenz gefragt ist. 

2019 
Im Laufe des Jahres 2019 veranstaltete die Stadtverwaltung Arnstadt eine „Ausschreibung“, die jedoch in „bedingter Form“ stattfand. Das bedeutet, die Stadt Arnstadt schrieb drei potentielle Veranstaltungsträger an, mit der Aufforderung, ein Angebot abzugeben: das Büro für Stadtentwicklung der Stadt Arnstadt, die Initiative Erfurter Kreuz, und den Unternehmerverein Arnstadt e.V. 

Dieses Vorgehen ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert: 

1. Die Förderung des Citymanagers mit bis zu 240.000 € über drei Jahre ist ein Programm der Städtebauförderung, womit angesichts des Förderumfangs eine bedingte Ausschreibung (also der Verzicht auf eine Veröffentlichung der Aufforderung zum Angebot) nicht oder nur in Ausnahmefällen nach Genehmigung durch das Landesverwaltungsamt möglich ist. Eine solche Genehmigung lag aber nicht vor. 

2. Die Aufforderung der Stadt an das Büro für Stadtentwicklung, ein Angebot abzugeben, ist fraglich, da das Büro unter der Leitung von Frau Dr. Hentschel zwar formell eine eigene Gesellschaft ist, de fakto jedoch dem Bauamt der Stadt nachgeordnet ist. Auch ist das Büro für Stadtentwicklung für die formelle Kontrolle und Abwicklung der Vergabe von Fördermitteln zuständig, und kann somit nicht die geforderten Kompetenzen nachweisen. 

3. Die Aufforderung an den Unternehmerverein Arnstadt, ein Angebot abzugeben, ist ebenfalls fraglich, da das jahrelange Wirken des Unternehmervereins in der Stadt offenbart, dass seine konzeptionellen und strategischen Kompetenzen nicht ausreichen, wesentliche Verbesserungen zu erzielen. Die Vergabe würde bestenfalls unter der Voraussetzung sinnvoll erscheinen, dass Trägerschaft und Personalie des Citymanagers zu trennen seien und letztere formgerecht ausgeschrieben würde. Eine weitere Ausschreibung war jedoch weder durch die Stadt noch durch den UVA intendiert. 

4. Die Aufforderung an die Initiative Erfurter Kreuz ist ebenfalls fraglich, als der Tätigkeitsbereich der IEK ebenfalls nicht in der Stadtentwicklung liegt. Sie würde nur unter der Voraussetzung sinnvoll erscheinen, dass Trägerschaft und Personalie des Citymanagers zu trennen und letzterer formgerecht ausgeschrieben würde. Dies war aber nicht intendiert. 

Wie dem auch sei, die Stadt Arnstadt beauftragte nach dieser „Ausschreibung“ den Unternehmerverein Arnstadt im Sommer 2019 als Träger der noch zu beantragenden Fördermittel „Citymanagement“ zu fungieren und einen Citymanager – nun ohne weitere Ausschreibung – einzustellen. Man begründete diesen Schritt damit, dass es wichtig sei, dass der Citymanager bzw. der Träger des Projektes „mit Arnstadt und den lokalen Verhältnissen vertraut“ sei. Damit widersprach die Stadtverwaltung dem von ihr selbst in Auftrag gegebenem Zielfindungsbericht der CIMA. 

Am 26.11.2019 tagte der Bauauschuss. Auf dem Programm: der UVA präsentiert seinen Citymanager: Ernst Haberland aus Suhl sollte es richten, an seiner Seite der stellvertretende Vorsitzende(!) des Unternehmervereins, Thomas Rothe. Wie die Thüringer Allgemeine berichtete, war die Irritation bei fast allen Fraktionen groß: 
Ich bin allerdings davon ausgegangen, die Personalie wird erst noch ausgeschrieben“, äußerte Jan Kobel (Grüne) Bedenken. Diese teilten etliche der anderen Stadträte auch. Zudem sahen sie Gesprächsbedarf, an welcher Stelle sich der Stadtrat nun überhaupt noch mit einbringt, in welche Richtung es gehen soll, was überhaupt Ergebnis der Workshops war.“ 
(TA am 4.12.2019)
Die Sitzung wurde vertagt, zu einer Entscheidung kam es nicht. 

2020
Am 25.2.2020 kam es zu einer weiteren nichtöffentlichen Sondersitzung des zuständigen Bauauschusses, als deren Resultat sämtliche stimmberechtigten Mitglieder nun plötzlich einstimmig der Personalie Haberland und Rothe zustimmten. Etwas verzögert, aber gerade noch rechtzeitig vor der entscheidenden Sitzung des Stadtrats, berichtete die TA am 5.5.2020 über die Resultate dieser Sitzung unter der Überschrift: 

Zwei erfahrene Männer als City-Manager für Arnstadt“ 
sämtliche Hintergründe ausblendend mit der Bemerkung: 
Noch fehlt die Zusage des Landesverwaltungsamtes, dass die Fördermittel freigegeben werden, die Arbeit offiziell beginnen kann. Doch beide (Ernst Haberland und Thomas Rothe, d.V.) stehen in den Startlöchern.“ 

Die Warnungen von meiner Seite (damals für die GRÜNEN im Stadtrat und als nichtstimmberechtigtes Mitglied im Ausschuss für Bau-, Vergabe- und Umweltfragen), dass dieses Vorgehen sowohl dem Abschlussbericht der CIMA, dem Geist des Programms „Citymanager“ als auch den Fördermittelbedingungen der Städtebauförderung widerspreche, wurden nicht gehört. Ein Versuch, mit Bürgermeister Frank Spilling im Rahmen eines vertraulichen Gesprächs darüber zu einer Einigung zu kommen, wurde von diesem abgelehnt. 

Am 17.6.2020 beantragte die Stadt Arnstadt die Förderung des Projektes Citmanager beim Thüringer Landesverwaltungsamt: dreimal 80.000 €, somit 240.000 € Projektumfang. Am 9.7.2020 antwortet das LVA in einem ablehnenden Bescheid, dass „nicht von einer Vergaberechtskonformen Vorgehensweise der Stadt Arnstadt ausgegangen werden kann„, und kommt zusätzlich zu der Einschätzung: 
Unabhängig einer Vielzahl(!) von Verfahrensfehlern hätte bei einem jährliche Auftragswert von ca. 80.000,- EUR (3 Jahre plus Option) für die Vergabe ein VgV-Verfahren durchgeführt werden müssen.“ 

2021
Nach rund vier Jahren Diskussion, Vorbereitung, Arbeitskreisen und Sitzungen scheint dass Projekt Citymanager erstmal gescheitert.

Was dabei überrascht, ist nicht nur die Freiheit, mit der sich die Stadtverwaltung und fast sämtliche Fraktionen des Stadtrats (einzig die GRÜNEN stimmten dagegen) über schriftlich von ihnen selbst festgelegte Verfahrensweisen hinwegsetzten. Es erstaunt auch die mangelnde Professionalität, mit der eine ganze Stadtverwaltung und ein mehrköpfiges Büro für Fördermittelverwaltung glaubt, sich über Vergaberichtlinien hinwegsetzen zu können. Das wirft ein trauriges Licht auf die Maßstäbe und Haltungen, die ganz offenbar im Alltag dieser Verwaltung gelten. 

Seit fünf Jahren gibt es in Arnstadt kein Stadtmarketing mehr, da die Stadtmarketing Arnstadt GmbH im Januar 2016 durch den damaligen Bürgermeister Alexander Dill ohne Not abgeschafft und seitdem nicht wieder aufgebaut worden ist (Details hierzu unter Zerstörung nach Plan am Beispiel der Stadtmarketing Arnstadt GmbH). Seitdem sinken die Besucher- und Übernachtungszahlen in Arnstadt dramatisch.

Auch wenn ein Citymanager ein Stadtmarketing nicht ersetzen kann, könnte er deren schmerzhaftes Fehlen zumindest teilweise ausgleichen. Das Angebot, im sechstelligen Bereich Fördermittel des Bundes für die Entwicklung und die Attraktivität der Arnstädter Innenstadt zu erhalten, wäre für unsere Stadt somit sehr, sehr wichtig gewesen. 

Leider muss man aber feststellen, dass für eine große Mehrheit der Verantwortlichen in Arnstadt die Frage, WEM man diese Gelder zukommen lässt, wichtiger zu sein scheint, als WAS man damit eigentlich erreichen will.

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