Stadtentwicklung bedeutet auch Stadtplanung

Weder Schandfleck noch Problem, sondern Chance und Zukunft. Das Quartier zwischen Schlossgarten und Bierweg ist die älteste Gewerbezone der Stadt Arnstadt mit ausserordentlichen Möglichkeiten

Arnstadt verfügt über gute Voraussetzungen für eine attraktive und lebendige Stadt, die Zuzug generiert. Die Beschlüsse sind gefällt, die Vorplanungen teilweise abgeschlossen, die Nachfrage vorhanden. Was noch fehlt, ist die Erkenntnis, dass Wachstum mehr ist als der Ausweis von neuen Einfamilienhaus-Siedlungszonen auf der – dann bald nicht mehr – grünen Wiese.

Städtisches Wachstum bedeutet heute vor allem, die vorhandenen Quartiere, Brachen und Leerstände neu zu denken und zu nutzen, um Flächenverbrauch zu reduzieren, die Stadt zu verdichten (sprich: lebendiger zu machen) und historische Areale zu reaktivieren, und um rechtzeitig zu wissen, was wo entstehen soll. Nachhaltiges Wachstum einer Stadt bedeutet auch, für das Kleingewerbe, Freizeitzonen, Gastronomie und Einzelhandel zu planen – nicht nur neuen Wohnraum. Alles das, was urbanes Leben aus- und attraktiv macht.

Die Agenda 2030

Am 17. Mai 2019 hat der Rat der Stadt Arnstadt die Agenda 2030 verabschiedet und somit ein ehrgeiziges und zugleich durchdachtes Handlungsprogramm beschlossen, dass die Entwicklung der Stadt bis in das Jahr 2030 bestimmen möge – als Leitidee, wohin sich Arnstadt die nächsten 10 Jahre entwickeln soll.

Darin findet sich unter Punkt 2.2.1 unter anderem die Festsetzung, dass
das Stadtentwicklungskonzept zum Integrierten Stadtentwicklungskonzept (ISEK) qualifiziert und fortgesetzt“ werden soll. Unter einem ISEK versteht die Städtebauförderung des Bundes und der Länder ein
Zusammendenken räumlicher Bezüge (vom Objekt im Stadtquartier bis zur Gesamtstadt und zur Stadtregion) mit einer akteursübergreifenden und prozessorientierten (…) Dimension,“ gerade dort, wo „städtebauliche Mängel, wirtschaftlicher Strukturwandel, Brachen und Leerstände“ vorhanden sind. (Quelle: https://www.staedtebaufoerderung.info/StBauF/SharedDocs/Publikationen/StBauF/Arbeitshilfe_ISEK.pdf?__blob=publicationFile&v=5)

Die stärksten Potentiale der Stadt Arnstadt: zwei Quartiere und ein Hof!

Arnstadt verfügt über drei urbane Zonen, die nun, nachdem die historischen Strukturen der Stadt weitgehend wiederhergestellt sind, dringend einer Planung bedürfen. Es handelt sich dabei um
1) den kleinen, aber feinen Prinzenhof
2) dem demnächst vermutlich freiwerdendem Areal der Fa. WTT an der Wagnergasse mit historischer Industriekultur aus dem 19. Jahrhundert und dem dazugehörendem alten E-Werk an der Längwitzer Mauer, sowie
3) dem Quartier Am Mühlgraben, dem historisch ältesten Gewerbequartier von einer Fläche, die der des historischen Stadtkerns entspricht.

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Der Prinzenhof ist ein zentral in der Altstadt gelegenes, gut 100 m vom Markt entferntes, mit historischem Natursteinmauerwerk eingefriedetes, schönes Hofareal, geprägt von Grünflächen mit altem Baumbestand, einem Palais, das die städtische Bibliothek beherbergt, einem als Musikkeller genutztem Gewölbe und einem großen, verfallenden und leerstehenden barocken Zeughaus.

Verschiedene Planung der Stadt Arnstadt, was mit dieser Perle geschehen solle, verliefen bis heute im Sande. Die Nutzungen liegen zugleich auf der Hand: Passend zur kommunalen Bibliothek und dem Jazz-Keller könnte und sollte hier ein Kulturzentrum entstehen, mit einem Café, Spielplatz, Ruhe- und Verweilzonen auch für Touristen sowie Ausstellungs- und Versammlungsräumen für Vereine oder Werkstädten für Kunst und Handwerk.

Dieses planerische Projekt sollte als erstes und mit höchster Dringlichkeit angegangen werden. Es bietet die Chance zu einer Aufwertung des Erlebnisses „historisches Arnstadt“, gerade auch in Bezug auf die großzügigen Grün- und Außenflächen, die einer öffentlichen Nutzung zugeführt werden könnten.

Großartiges Raumerleben bietet das ehemalige E-Werk der Stadt Arnstadt

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Das Areal des Alten Elektrizitätswerks Wagnergasse / Längwitzer Mauer ist ein bis heute gewerblich genutztes Ensemble von einem halben Dutzend historischer Industriebauten, von denen das alte E-Werk in städtischer Hand ist, der Rest der Gebäude in Besitz und Nutzung der Metallbaufirma WTT, die gegenüber der Stadt ihren Willen bekundet hat, das Areal verlassen zu wollen und in ein klassisches Gewerbegebiet umzuziehen. Es handelt sich dabei um verschiedene Bauten, teils aus der Gründerzeit mit Scheddach-Belichtung, teils aus DDR-Zeiten, von unterschiedlicher Qualität und unterschiedlichen Nutzungsmöglichkeiten.

Es ist von Arnstadt von Bedeutung, sich darüber Rechenschaft abzulegen, was aus diesem Quartier entstehen könnte, bevor es zu einem Verkauf der Flächen kommt. Von einer Nachnutzung der Hallen als Markthallen, wofür diese geeignet wären, über einen Teilabriss mit Erhalt einzelner Gebäude zur öffentlichen Nutzung bis zum Totalabriss und dem Entstehen eines komplett neuen urbanen Areals ist vieles denkbar. Auch der denkmalpflegerische Wert der Gebäude ist zu prüfen, bevor es hier zu Entscheidungen kommen kann.

Wenn die Stadt jedoch wartet, bis ein Investor mit seinen Plänen in den Ämtern aufschlägt, ist es einmal mehr zu spät, sich über strukturpolitische Ziele, die mit diesem Stadtviertel verbunden sein könnten, Gedanken zu machen. Dieses planerische Projekt sollte nach dem Prinzenhof ebenfalls hohe Priorität haben, da die Entscheidungen der privaten Eigentümer zum Verkauf bereits morgen fallen können.

Abertausende von m2 Nutzfläche in spannenden historischen Architekturen bietet Arnstadts Quartier am Mühlgraben. Daneben reichlich Fläche für Neubauten aller Art.

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Das Quartier Am Mühlgraben unterscheidet sich durch die beiden erstgenannten Areale durch die enorme Größe des zwischen Ichtershäuser Straße, Dammweg, Bierweg und Gera gelegenen Gebiets von über 40 Hektar. Es unterscheidet sich auch dadurch, dass das Planungsamt der Stadt Arnstadt im Jahre 2018 hierzu bereits ein umfangreiches und detailliertes Entwicklungskonzept verfasst hat, das die Optionen und Potentiale aufzeigt.

Das städtische Konzept empfiehlt dem Rat der Stadt, das Quartier als „ein Sanierungsgebiet nach §§ 136ff BauGB und ein Entwicklungsgebiet nach §§ 165ff BauGB auszuweisen„, da damit die Möglichkeit gegeben ist, Fördermittel des Landes und des Bundes zu beantragen (S. 47). Die Stadt Arnstadt, die mit der Erstellung dieses Entwicklungskonzeptes der Agenda 2030 erfreulicherweise bereits zuvorgekommen ist, ist ihren eigenen Empfehlungen jedoch bis heute nicht gefolgt.

Das Quartier am Mühlgraben ist der seltene Fall eines perfekten Entwicklungsgebietes für eine kleine Stadt. Von seiner Lage her zwischen Innenstadt und den modernen Gewerbezonen links und rechts der Ichtershäuser Straße kann es ein verbindendes Element werden zwischen dem Erfurter Kreuz und dem historischen Arnstadt. Von seiner Bausubstanz her bietet es die Möglichkeit, spannende und interessante Um- und Neunutzungen zu realisieren, von seinen Freiflächen her macht es mehrgeschossigen und urbanen Wohnungsbau möglich (sowohl für den sozialen als auch den Premium-Bereich), und durch seinen Grünflächen und die Gera-Auen ist es prädestiniert als Quartier mit hohem Freizeit und Erholungswert.

Aber auch hier gilt: die Uhr tickt. Die Grundstücksspekulation hat bereits eingesetzt, wie die Deutsche Bahn, die hier Flächen versteigerte, bereits erfahren durfte. An den Ost- und Westrändern des Areal finden Bauprojekte statt, ohne dass die Stadt Arnstadt heute eine Zielvorstellung definiert hat, was hier eigentlich entstehen soll. Ein planerisches Versäumnis.

Die Landesentwicklungsgesellschaft des Landes Thüringen (LEG) misst dem Quartier Am Mühlgraben seit Jahren einen „höchsten Entwicklungsbedarf“ zu, die Vorplanungen sind eingetütet, die Agenda 2030 ist seit über einem Jahr beschlossen, und mit der Finanzierung des Kulturprojektes Milchhof Arnstadt als einem kulturellem Zentrum des neu zu schaffenden Stadtviertels ist das Land Thüringen bereits deutlich in die Vorleistung gegangen.

Es ist Zeit für neue Schritte in Richtung Zukunft der Stadt. Beim Prinzenhof, beim WTT-Areal und beim Quartier Am Mühlgraben am Rande der Altstadt.

Auch der Mühlgraben selbst bietet Optionen. Hier eine Skizze zu einer partiellen Wiederinbetriebnahme des Kanals auf dem Gelände der ehemaligen Blaudruckerei Wagner.



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