Analoge Stadt II:
Stirbt die Stadt, stirbt die Gemeinschaft

An der Anzahl von Kindern und Alten auf den Straßen erkennt man,
wie lebenswert eine Stadt ist.
Jan Gehl / dänischer Stadtplaner/

Rückbesinnung und Ausblick auf urbane Lebensräume im digitalen Zeitalter – fünf Thesen


1_Was ist passiert?

Das 20. Jahrhundert war das Jahrhundert
a_ der Bewegung raus aus der Stadt in die Suburbanität. Beispiel Gartenstadt und Siedlungen
b_ der Ablösung der Stadtplanung durch die Verkehrsplanung. Zerstörung der urbanen Strukturen
c_ des Übergangs vom handwerklichen zum industriellen Bauen. Verlust des lokalen Identität des Bauens
d_ des Verlustes einer sich einfügenden Architektur zugunsten einer exhibitionistischen Architektur der Avantgarde

2_Wie sind wir damit umgegangen?

a_ Wir dachten, wir brauchen keine Stadt – wir haben ja das Auto
b_ Was dem Auto im Wege war haben wir abgerissen, in Deutschland ging das nach dem Krieg besonders gut
c_ Was wir abgerissen haben, haben wir verachtet:
Wir bauen eine neue Gesellschaft, aber diese Gesellschaft darf nicht in die Gehäuse der alten kriechen. (Hans Scharoun, Berlin 1946)
d_ Einfamilienhaus – Carport – Gartenzaun:
ein amerikanischer Traum wird handlungsleitend

3_Die Wende – pünktlich zum Jahrhundertwechsel

a_ Die Jugend aus suburbia vermisst die soziale Dichte und will zurück in die Stadt – aber nicht in jede!
b_ Historische Wohn– und Industriebauten werden respektvoll wiederhergestellt  – nichts ist so uncool wie Wohnen im Neubau
c_ Einkaufen, Ausgehen, Kita oder Kaffeetrinken werden Handlungsfelder einer sozialen Gemeinschaft
d_ Das Auto wird Anti-Status-Symbol: Ausdruck von Verantwortungslosigkeit, Lärm und Dreck

4_Jetzt haben wir ein Problem

a_ Der soziale Verbund des WIR ist tot – in den Regionen, Dörfern und kleinen Städten
b_ Er lebt neu auf in den überfüllten Hipsterquartieren der Universitätsstädte – als Projekt einer neuen Avantgarde
c_ Die Ödnis im ländlichen Raum schafft Raum für radikale Rattenfänger
d_ Die Provinz antwortet mit noch mehr Shopping-Centern und diskutiert die Abschaffung der Fußgängerzone

5_Die Perspektive: Städtisches Leben ist soziales Erleben

a_ entweder der Mensch bleibt das Maß der Stadt, oder die Stadt geht unter
b_ Urbanität bedeutet im Klartext: Verdichtung, Durchmischung, Fußläufigkeit – alles auf engem Raum
c_ die Chancen der Provinz liegen in der Wahrnehmung und Adaption der Lebenskulturen der Schwarmstädte: Was ist Urbanität heute?
d_ mit der Digitalisierung der Lebenswelt und der Zerstörung des sozialen WIR wächst das Bedürfnis nach analogem Erleben: Begegnen, Reden, Essen und Trinken, Flanieren, Einkaufen, Zuschauen: Dabeisein

Siehe hierzu auch:
http://stadtrandnotiz.de/2015/06/05/die-neuen-chancen-der-provinz/
http://stadtrandnotiz.de/2014/12/25/die-analoge-stadt/

 

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