Dieses Internet-Magazin heißt Forum für eine nachhaltige Stadtentwicklung, weil es auch über die Amtszeit des aktuellen Bürgermeisters hinaus in die Zukunft schauen möchte. Auch gibt es Themen, die für die Entwicklung der Stadt wichtig sind und deren Unterbelichtung man nicht dem Bürgermeister anrechnen kann, zumindest nicht alleinig. Eines dieser Themen ist der Breitbandausbau.
(Foto: Glasfaser-Verlegung in Mühlhausen)
Wer ein wenig in Thüringen über den Tellerrand, sprich die A4 und die A71 hinausschaut, stellt fest, dass in anderen Thüringer Städten etwas Seltsames im Gange ist: Überall heben die jeweiligen Stadtwerke Gräben aus, legen in diese Glasfaserkabel hinein – oder aber sie haben schon längst wieder alles asphaltiert und gepflastert. Zugleich verkünden die Städte ihren Bürgerinnen und Bürgern stolz, dass Sie kurz vor der 100% Abdeckung der Haushalte mit Breitband stehen: Superschnelles Internet für alle. So geschehen in Gotha, Weimar, Apolda, Mühlhausen oder Rudolstadt, um nur die Kommunen zu nennen, bei denen ich es selbst erlebt habe. Und in Arnstadt? Hier verlautet aus den Stadtwerken, dass vor drei Jahren beschlossen worden sei, „diesen Schritt nicht zu gehen“.
Es gibt Untersuchungen, die festgestellt haben wollen, dass diejenigen Kommunen, die als erste mit dem flächendeckenden Ausbau von schnellem Internet begonnen haben, heute die höchsten Zuwachsraten in der Gewerbesteuer (sic!) ausweisen. Breitband, das rufen all die teuren Unternehmensberater und Verbandsvertreter von ihren Stehpulten, ist, wenn nicht schon heute, dann gewiss morgen essentieller Bestandteil der Grundversorgung wie Wasser und Strom. Dabei geht es keineswegs nur um die Gewerbegebiete, wo sich bis heute einzelne Unternehmen angeblich mit mehreren ISDN-Anschlüssen behelfen müssen. Es geht um jeden einzelnen Haushalt.
Denn das schnelle Internet krempelt nach und nach hunderte von Berufsbildern um. Die Frage, wo mein Schreibtisch steht und wie oft ich pünktlich im Büro erscheine, wird immer relativer – mit vielen positiven Folgen für Kindererziehung, CO2-Ausstoß, Lebenszeit im Stau und – aus der Sicht der Thüringer Residenzstädte besonders wichtig – für die Attraktivität eines historischen Zentrums als Wohn-, Arbeits- und Lebensraum.
Ich bin von Beruf Fotograf, und Fotografen verschicken gerne große Datenmengen an digitalen Fotos. Mal 50, mal 500 Megabyte. Netzgeschwindigkeiten von 100 MB/sek. im Down- und Upstream (symmetrisches Breitband) klingen in meinen Ohren wie der blanke Hohn – wenn ich meine Kunden Bilder auf den Server laden möchte, habe ich eine Upload-Geschwindigkeit von 1,23 MB – pro Minute! Das ist ca. 8000mal langsamer. Mit einem Upload von 50 MB blockiere ich unseren Internet-Anschluss für eine Stunde.
Kabel eins steht uns nicht zur Verfügung, weil wir bei der Wiederherstellung unseres alten Hauses in der Arnstädter Innenstadt kein terrestrisches Fernsehnetz gab. Heute ist unsere Straße ist zwar erschlossen, aber nicht unsere Immobilie. Leerkabel? Ebenfalls Fehlanzeige.
Wer nun meint, kein Wunder, wo Arnstadt doch so arm ist – von wegen! Der Breitband-Ausbau finanziert sich nach Aussagen der Verantwortlichen in den diesbezüglich aktiven Städten weitgehend selbst: Die Stadtwerke, die wissen, wo die Netze liegen und wie man baggert, legen erstmal die Glasfaser in die Erde. Dafür nehmen Sie einen Kredit auf. Dann verpachten sie diese Hardware an die Thüringer NetKom, die das Netz betreibt, gegen einen langjährigen Pachtvertrag, der wiederum den Kredit bedient. Die Netkom kassiert von der Telekom oder von O2 Durchleitungsgebühren, und diese kassieren wiederum von uns, den „Endverbrauchern“.
(Foto: Breitband-freie Zone Ilm-Kreis? Eine Karte der Fa. encoLine / Gera. Klicken zum Vergrößern)
Kurz: die jeweiligen Stadthaushalte werden mit keinem Cent belastet. Der Kunde merkt von all dem nichts, ausser dass sein Rechner plötzlich in Echtzeit reagiert. Und auch die Erdarbeiten halten sich in Grenzen, da für das Glasfaser-Breitband nicht unbedingt vor jedem Haus gebaggert werden muss, sondern nur bis zu den jeweiligen grauen Verteilerkästen. Von dort in die Wohnungen hinein geht die Datenkommunikation dann doch noch ein paar Meter durchs gute alte Kupferkabel.
Eine private Firma aus Gera, die encoLine GmbH, ist seit Jahren dabei, den ländlichen Thüringer Raum zu erschließen, Voraussetzung hier ist lediglich eine Bedarfnachfrage. So ist inzwischen mancher Einsiedelhof besser angeschlossen als die Innenstadt von Arnstadt.
Es scheint, dass Breitband ist nicht nur notwendig, sondern auch finanzierbar ist. Das beste dabei: es gibt hierfür wie für so ziemlich alles in diesem Land Fördermittel und sogar eine eigene Behörde, die nur dafür da ist, Kommunen zu erklären, wie das geht mit dem Breitband: Das Thüringer Breitbandkompetenz-Zentrum, zu finden unter http://www.thüringen-online.de.