Was war geschehen? Die Thüringer Allgemeine lässt ihre Leser und Leserinnen online abstimmen, ob sie den Abwahlantrag gegen Alexander Dill richtig finden. Die Zeitung selbst gibt seit Wochen in ihrer Berichterstattung und in der Auswahl ihrer Interviewpartner deutlich zu verstehen: sie findet Dill gut, der Stadtrat ist böse. Als dann die Umfrageergebnisse zwei Tagen lang nicht in die erwünschte Richtung laufen, findet über Nacht eine wundersame Vermehrung der Pro-Dill-Stimmen auf fast 10.000 Klicks statt. Das finden wiederum wir so toll, dass wir die Hintergründe den Bürgern und Bürgerinnen der Stadt nicht vorenthalten wollen.
Achtung: Satire!
Die TA beweist: die Bürger lieben König Dill!
In den Tiefen der Provinz ist es leider immer wieder so, dass die politischen Amateure in den Parlamenten einer Kleinstadt nicht begreifen, welch Glück ihnen durch die Regentschaft Ihres Monarchen widerfährt. Sie kritisieren, stellen Fragen, treten fordernd oder gar beschließend auf – und beweisen somit regelmäßig, dass sie nichts treibt als Streitlust und Missgunst. Deswegen entsendet die Landeszeitung auch erfahrene Politik-Journalistenprofis aus der Hauptstadt, die aufpassen, dass die kommunalen Gremien es nicht zu bunt treiben.
Wenn das nicht fruchtet und die Politclowns aus dem Stadtrat immer noch meinen, sich nicht an die gedruckten Benimmregeln ihrer Tageszeitung halten zu müssen, gibt es einen Strauß weiterer Maßnahmen, die Ordnung wiederherzustellen. Man kann zum Beispiel einen Fachmann sagen lassen, dass die Lage „dramatisch“ und „noch dramatischer“ (TA vom 27.10.2015) sei, woraus sich ja von selbst ergibt, dass der König Bürgermeister alles richtig macht und eine Abwahl „keinen Sinn“ (ebendort). Oder man befragt das Volk mit einer Online-Umfrage und führt den Abwahl-Chaoten mal schön vor, wie lächerlich und chancenlos ihr Anliegen ist!
Ok, wenn dann in den ersten 48 Stunden die üblichen dreihundert Leser Ihr Knöpfchen gedrückt haben und eine satte 2/3-Mehrheit den Abwahlantrag richtig findet (213 zu 65 Klicks Anfang der Woche zugunsten einer Abwahl!), läuft das zwar nicht nach Plan. Aber heh, wer will schon wirklich wissen, was die Leute denken! Haben doch alle keine Ahnung! Muss eben ein wenig nachgeholfen werden, und – hoppla, das schaut doch, keine zwei Tage später, schon viel besser aus:
(Screenshot Thüringer Allgemeine vom 28.10. mittags).
Alles klar, Herr Kommissar? Über dreitausend Stimmen mehr als bei der letzten Bürgermeisterwahl (9.352 abgegebene Stimmen bei der Stichwahl am 6.5.2012) mit einer begeisterten 72%-Mehrheit für den Fürsten. Geht doch!
Bevor die Abstimm-Automaten-Software die Klicks allerdings ungebremst in den sechsstelligen Bereich hochjagt, wurde diese kommentarlos vorzeitig abgeschaltet – und sogleich eine neue Umfrage gestartet. Denn offensichtlich haben einige Leser immer noch Nachholbedarf in Staatsbürgerkunde. Dem nachzuhelfen geht so:
(Screenshot Thüringer Allgemeine vom 28.10. abends).
Aha. Ja, liebe TA, wir merken uns:
§ 1)
Der Arnstädter Stadtrat ist ein Haufen zerstrittener Provinz-Chaoten mit rituellen Auseinandersetzungen untereinander.
§ 2)
Wenn der Arnstädter Stadtrat kein Haufen zerstrittener Provinz-Chaoten mit rituellen Auseinandersetzungen untereinander ist, sondern sich mit Zweidrittel-Mehrheit einig ist, dass der Bürgermeister sich einem Abwahlverfahren zu stellen hat, tritt automatisch § 1 in Kraft.
Auf dieser Basis: Antreten zum Abstimmen!
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