TA-watch 10: Nichts dazugelernt

BQ1A9510

Es geht auch anders: Die Journalistin Berit Richter lehnt ebenso wie ihre Kollegen von der TA das Abwahl-Verfahren gegen Bürgermeister Dill ab, kann aber zwischen ihrer persönlichen Meinung und ihrem journalistischem Auftrag unterscheiden und berichtet regelmäßig sachgerecht im Freien Wort.

Zwei Drittel des Stadtrats, drei Fraktionsvorsitzende, drei Orts- und Stadtverbandsvorsitzende und deren Mitgliederversammlungen kommen nach 3 1/2 Jahren Amtszeit eines Bürgermeisters zu dem Schluss, nur noch mit der Einleitung eines Abwahlverfahrens sei Schaden von der Stadt abzuwenden. Damit war das Startsignal für die Thüringer Allgemeine gegeben, sich zur Wahlkampfzeitung des Bürgermeisters zu machen.

Als Arnstadt-wohin.de begleiten wir seit Wochen unter anderem die Berichterstattung der TA unter der Rubrik „TA-watch“. Wie sieht nun das Finale aus?

Zuerst zum Volumen. Das ist beachtlich. Sieben Artikel an zwei Tagen, davon ein ganzseitiger im Mantelteil der TA. Das könnte alle Beteiligten freuen, wenn Sie denn zu Wort kämen. Das ist nicht der Fall – und passt ins Bild: Hatte doch die TA zum Haupttermin der Bürgerversammlung am 19. Januar 2016 im Theatercafé zu Arnstadt keinen Vertreter geschickt und nicht darüber berichtet.

Und nun zu den Skurrilitäten. Das WORT ZUR WOCHENWENDE unter dem Titel „Licht und Erkenntnis“ kommt diesen Samstag von Thomas Michael Weiß. Wer ist Thomas Michel Weiss und welcher Funktion spricht er dieses WORT?  Als Mitglied der Kirchgemeinde? In seiner Funktion als Berufener Bürger für die Fraktion Bürgerprojekt, jenem Projekt, das Bürgermeister Alexander Dill zu seiner Unterstützung ins Leben gerufen hat? In seiner Funktion als Facebook-Troll, der als Berufener Bürger die Fraktion Pro Arnstadt auch schon mal als „Pro Arsch“ und den politischen Gegner als „nichtswürdig“ tituliert? Jener Thomas Michael Weiß darf also am Tag vor der Abstimmung in der Thüringer Allgemeinen frömmeln: „… es wird gestritten in der Stadt. Viele suchten verzweifelt nach dem Ausweg. Es war die Stunde der Unterstellungen und Beschimpfungen, der üblen Nachrede.“ Meint er sich? Ist das die Erkenntnis?

Wahrscheinlich nicht! Denn die Schlagworte „Verleumdung“ und „üble Nachrede“ sind ja für Dill und seine Befürworter zum einzigen Messer geworden, das sie zu wetzen verstehen. Dill hat gegen Jan Kobel als presserechtlich Verantwortlichen Anzeige erstattet. Das war der TA am letzten Samstag einen Aufmacher wert. Gestern nun die Meldung zu Jan Kobels Presseerklärung. Dieser sieht keinen Grund sich aufzuregen, im Gegenteil er würde es begrüßen, wenn mit dieser Anzeige die Möglichkeit gegeben wäre, den Schaden, den Dill Stadt und Wohnungsbaugesellschaft zugefügt hat, gerichtlich zu klären.

Jan Kobel führt in seiner Erklärung weiter aus: „Dann wird es aber auch darum gehen, zu prüfen, ob sich der Bürgermeister in seiner Blockade eines großen Sanierungsprojektes und der unmittelbar daraus folgenden diversen Schädigungen des Unternehmens WBG nicht der Untreue schuldig gemacht hat.“

Bürgermeister Dill bringt einen Stein ins Rollen, indem er in einer politischen Diskussion darauf setzt, mit einer Strafanzeige den Gegner zu kriminalisieren. Der Angezeigte zeigt sich unbeeindruckt und sieht hierin eine Möglichkeit die Angelegenheit zu klären – in diesem Zusammenhang verweist er darauf, da es um einen wirtschaftlichen Schaden für die WBG geht, dass das die PRÜFUNG etwaiger Untreue miteinschließt.

Was macht Britt Mandler bereits in der Überschrift aus Kobels Erklärung? „Kobel kontert mit Untreue-Vorwurf“. Wie schon gesagt: Die TA sieht ihre Aufgabe darin, immer schön Öl ins Feuer zu gießen https://arnstadt-wohin.de/ta-watch-9-immer-schoen-oel-ins-feuer-giessen. Wäre Britt Mandler auf der Bürgerverammlung des Abwahlbündnisses gewesen, hätte sie vernehmen können, dass der seit 31.12.2015 im Ruhestand weilende ehemalige Geschäftsführer der WBG die durch Dill zur Anzeige gebrachten Aussagen vollumfänglich stützt. Aber das wäre ja ein Beitrag zur Erklärung des Phänomens gewesen, warum zwei Drittel eines Stadtrats über vier Fraktionen einen Abwahlantrag gegen einen Bürgermeister einbringen.

Die Notwendigkeit der Vierten Gewalt

Bis heute dachten diese zwei Drittel des Stadtrats, sie hätten ein Problem mit der regionalen Redaktion der Thüringer Allgemeinen. Ein Problem, das sie dazu bewog, mit diesem Blog und einer Zeitung, dem „Neuen Arnstädter Anzeiger“ eine Gegenöffentlichkeit herzustellen. Heute stellen sie mit Lesen des Mantelteils fest: Das scheint kein Problem mit einzelnen Redakteuren zu sein. Es ist offensichtlich die Linie der Zentralredaktion.

Vorab, da die Autorin dieser Zeilen parallel eine Diskussion auf der Facebooksite von Martina Lang, der 2. Beigeordneten der Stadt Arnstadt, Britt Mandler, Leiterin der TA-Redaktion der Stadt Arnstadt und Berit Richte, freie Journalistin für TA und Freies Wort verfolgt, in der Arnstadt-wohin unterstellt wird, die Thüringer Allgemeine der „Lügenpresse“ zu bezichtigen

Wir sind überzeugt von der aufklärenden Funktion der Medien, Demokratie braucht die Vierte Gewalt, wir reden nicht von einer „Lügenpresse“. Die eben genannten Kommentatorinnen wissen offenbar selber gar nicht, was AfD und Pegida mit diesem Vorwurf meinen: Eine Aufklärung fände sich z.B. hier http://www.taz.de/!5023884/.

Wir reden von Journalisten, die glauben oder von ihren Chefs Glauben gemacht bekommen, die Relevanz ihres Mediums hinge von den Klicks und Likes ab, die man durch Polarisierung erzielt. Wir reden von Journalisten, die derart die Distanz zu den Menschen und Sachverhalten, über die sie berichten, verloren haben, dass ihnen das simpelste Handwerkszeug und ethische Grundsätze ihres Gewerbes abhanden gekommen sind. So ist die Vierte Gewalt dann am Ende tatsächlich unglaubwürdig.

Trostloses Anschauungsmaterial

Die Autorin dieses Artikels, Mitglied des Arnstädter Stadtrats, hat am Donnerstag in eben diesem Gremium eine Rede gehalten – eine Rede, in der es in erster Linie darum ging, warum die Instrumente Haushaltsstop, Haushaltssicherungskonzepte und haushaltslose Zeiten, die entscheidenden Instrumente eines Bürgermeisters sind, den Stadtrat zu entmachten und eine Stadt lahm zu legen.

Die Rede begann und spann sich fort an einem zentralen Gedanken: Die Mitglieder des Stadtrats haben unter Dill viel gelernt. Michael Keller war diese 20-minütige Rede in seinem Beitrag „Abwahlbefürworter kündigen weiter Widerstand im Stadtrat an“ von diesem Samstag keine Silbe wert.

Die Journalisten der TA haben nichts gelernt und wollen auch nichts lernen: Keller schreibt über die Redebeiträge der Stadtratsmitglieder neben den üblichen Übertreibungen, die offenbar der Emotionalisierung dienen sollen, wie „gefightet, was das Zeug hielt“ oder „heftigen persönlichen Angriffen“: „Als die Diskussion schon weit fortgeschritten war, ließ eine Aussage von Jürgen Hoffmann, CDU-Fraktionsvize und Chef des Finanzausschusses keine Zweifel mehr zu, dass egal, wie die Abstimmung am Sonntag ausgehen werde, auch danach kein Frieden einziehen wird.“

Dann zitiert Keller Hoffmann wörtlich: „Das in Vorbereitung befindliche Haushaltssicherungskonzept ist so, wie es ist, nicht abstimmungsfähig. Unsere drei Fraktionen werden es nicht mittragen.“ Das hält Keller für „eine unzweideutige Kampfansage.“

Wirklich nichts gelernt: Nach wochenlangen Diskursen, einem der TA vorliegenden Alternativkonzept, detaillierten Einlassungen in Ausschüssen und Sitzungen, bei denen Keller anwesend war, ist es diesem Journalisten weder möglich, eine derartige Aussage zu hinterfragen oder einfach einmal die Argumente von Jürgen Hoffmann und anderen aufzuschreiben. Dann könnte der geneigte Leser verstehen, dass es hier nicht um Kampfansagen, sondern um den verzweifelten Versuch der Rettung des städtischen Gemeinwesens geht.

Auf Seite 3 des Mantelteils der TA nimmt sich Christian Werner des Themas unter dem Titel „Aufruhr in Arnstadt“ für ganz Thüringen an. Die Autorin dieser Zeilen hier hatte in ihrer schon erwähnten Rede unter dem Stichwort „viel gelernt“ auch das Thema Demokratieverständnis aller Beteiligten angesprochen. Dabei hatte sie unter anderem kritisiert, dass die Abwahlgegner immer wieder die Kosten für dieses Verfahren ins Spiel brächten, ein in ihren Augen undemokratisches Argument, denn wer die Kosten der Demokratie gegen diese ausspielt, stellt sie in Frage.

Christian Werner war offenbar anwesend bei dieser Stadtratssitzung – er malt Stimmungsbilder und zitiert Bürgermeinungen – und beginnt seinen Artikel mit einer verwandten undemokratischen Idee: „Es riecht nach Wahlkampf in Arnstadt. Dabei sind es noch zwei Jahre bis zur nächsten regulären Bürgermeisterwahl.“ Das ist auch eine Form der Stimmungsmache: Käme es in Folge des morgigen Abwahlverfahrens in diesem Frühjahr zu einer Bürgermeisterwahl, wäre diese irregulär?

Ein eigenartiges Demokratieverständnis offenbart er auch in der Ausführung seiner Unterüberschrift: „Er (Dill) hat eine Koalition gegen sich, die es so in Thüringen kein zweites Mal gibt.“ Zur Einleitung eines Abwahlverfahrens bedarf es keiner Koalitionen, es bedarf einer Zwei-Drittel-Mehrheit der Mitglieder des Stadtrats. Eine hohe Hürde, die, wenn sie wie in Arnstadt erfolgreich genommen wurde, zu denken geben könnte.

Doch statt dessen Legenbildung. Christian Werner schreibt: „Denn nur weil einer der (SPD)-Genossen zu „Pro Arnstadt“ wechselte, haben die Gegner die Mindestzahl von 21 Stimmen überhaupt erreicht – noch so ein exotisches Detail.“ Nein! Die 21 Stimmen wurden erreicht, weil es 21 Stadträte gab, denen Dills Politik zuviel wurde. Einer davon war in der SPD. Erst dann wechselte er zu Pro Arnstadt. Weil es ihm zu ungemütlich in der SPD wurde oder weil ihn die SPD nicht mehr haben wollte, sei mal dahingestellt. Da gibt es unterschiedliche Auffassungen. Doch was ist daran exotisch?

Auf keinen Fall die andere Seite zu Wort kommen lassen

Werner schreibt weiter: „Und die (die Stadt Arnstadt) steckt in der Klemme, in der finanziellen, um genau zu sein. So sagt es jedenfalls Alexander Dill.“ Wird es jetzt genau? Nein, denn dann hätte Werner ja irgendwie darauf Bezug nehmen müssen, was die anderen sagen: Was sagen die Fraktionsvorsitzenden? Was der Ausschussvorsitzende des Finanzausschuss? Was hat Werner in den Reden der Mitglieder des Stadtrats vernommen?

Jedenfalls nicht die Aussage „Anstadt hat jahrelang über seine Verhältnisse gelebt“. Dieses Urteil gibt Christian Werner heute ganz Thüringen mit. Und weil Werner irgendwann einmal gelernt hat, dass er „um genau zu sein“ weitere Quellen braucht, führt diese auch an: Da wäre Gutachter Klaus Brodbeck und da wäre auch Gerd-Michael Seeber (CDU), seines Zeichens Bürgermeister von Ilmenau. „In der der aktuellen Haushaltsdebatte warnte er (Seeber) seine Stadträte mantraartig vor dem Schicksal Arnstadts.“ Soll der Leser aus „mantraartig“ schliessen, dass Seeber wissen muss, wovon er spricht?

Bleibt Brodbeck. Was sein Gutachten für Arnstadt anbetrifft, war die Diskussion schon einmal weiter – im Arnstädter Stadtrat.  Auf diesen Seiten. Doch die TA hat davon nichts mitbekommen. Aber vielleicht hilft ein allgemein zu recherchierender Hinweis: Klaus Brodbeck scheiterte im Januar 2016 als Zwangsverwalter des Unstrut-Heinich-Kreises und er scheiterte mit einem Haushaltssicherungskonzept für Nordhausen. Die vom Land bewilligte Bedarfszuweisung beträgt gut 700.000 EUR statt der von Gutachter Brodbeck errechneten 5 Millionen.

Aber Recherche, Hintergrundinformationen und Fakten sind nicht Werner Stärke und nimmt Fahrt auf mit seiner Polemik gegen die Stadtratsmitglieder: „Der Tonfall unter den Arnstädter Politikern ist seit Monaten rau, manche sagen auch, er wäre vergiftet. Es gibt Drohungen, Verleumdungen, manche Stadträte berichten von Übergriffen.“ Ach ja? Wer? Wann? Wo?

Doch „Dill trägt all das mit Fassung, stoisch, fast ohne Regung,“ stellt Werner bewundernd fest, um tadelnd nachzusetzen: „Auch das werfen ihm die vor, die ihn nicht mehr auf dem Stuhl des Stadtoberhauptes sehen wollen.“ Da wäre ja mal ein Original-Zitat schön gewesen.

Doch einige Absätze später sieht man, dass es sich hier um einen dramaturgischen Trick handelt: „Einmal war Dill nicht stoisch und gelassen. Einmal hat es ihm gereicht. Im Januar hat er Klage eingereicht, weil er den Tatbestand übler Nachrede und Verleumdung erfüllt sieht.“ Die Botschaft des Journalisten – der Anzeige stellen und Klage einreichen nicht auseinander halten will –  ist klar: Das wurde ja auch höchste Zeit.

Unser Urteil: Die Stimmungsmache gegen ein demokratisches Verfahren und dessen politischen Akteure ist gelungen. In den Worten von Christian Werner: „Einwohner fürchten um den Ruf Arnstadts“. Und wer hat diesen Ruf laut TA ruiniert: Zwei Drittel des Stadtrats. Der Bürgermeister ist das Opfer. Die Thüringer Allgemeine wäscht ihre Hände in Unschuld. Sie hat ja nur berichtet.

4 Gedanken zu “TA-watch 10: Nichts dazugelernt

  1. sie haben treffend reflektiert. aber sie wissen auch: ab heute 24.00 ist Schluss mit derlei Veröffentlichungen. Denn: am Tag der Abstimmung darf keinerlei Wählerbeeinflussung geschen. ????
    mfg
    weiß

  2. Sehr geehrter Herr Weiss!
    Danke für den völlig unnötigen Hinweis!
    Ich habe schon Wahlkämpfe in der grössten funktionierenden Demokratie der Welt – Indien – erlebt, war im Wahlkampfteam einer Partei im südindischen Bundesstaat Kerala (35 Millionen Einwohner) tätig. Indien ist wie meine zweite Heimat und ich habe dort mehr Freunde als in meinen Heimatort Arnstadt.
    Mit freundlichen Gruss und Namaste!
    Lutz Günther, Shi

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert