Wollt Ihr den autoritären Staat? // Offener Brief an die AfD in Arnstadt

„NEIN zur AfD, NEIN zur autoritären Gesellschaft“. Protest gegen die AfD im kleinen Arnstadt vom 10.12.2018. Gut 100 waren gekommen zu einer kurzfristig ausgerufenen Kundgebung.

Liebe AfD in Arnstadt,

wir leben hier in einer Kleinstadt, und wir kennen uns. Da überlegt man dreimal, wem man welches Wort hinterherwirft, denn man möchte sich auch morgen noch in die Augen schauen können. Und man fragt sich ja auch machmal: Haben sie vielleicht doch irgendwo recht? Ein klein wenig zumindest?

Nun habt Ihr beschlossen, den Wahlkampf zu den Kommunalwahlen im Mai 2019  in der Weihnachtszeit zu eröffnen. Mit „Montagsdemonstrationen“ am Schauplatz der ersten Kundgebungen der Wendezeit 1989 in Arnstadt. Das finde ich ziemlich gewagt. Denn damals demonstrierten die Menschen für offene Grenzen und Meinungsvielfalt im Sinne einer pluralen Gesellschaft. Beides, wenn ich nicht irre, könnt Ihr heute gar nicht mehr leiden. Manche in Arnstadt nehmen euch diese Selbstinszenierung als Wahrer der Werte der Wendezeit ziemlich übel, und sie rufen euch zu: Nicht in unserem Namen! Zu Recht.

Ich nehme Euch erstmal nichts übel. Ich will nur verstehen, wie ihr tickt und was Ihr wollt. Deshalb habe ich mir eure Facebook-Videos angeschaut von eurer Kundgebung in Arnstadt am 3.12.2018. Da sagt der aus Berlin angereiste MdB der AfD, Stefan Brandner, zum Beispiel folgenden Satz:

„Die Ideologie der DDR lebt fort. Die Stasi von damals ist die Antifa von heute.
Es ist eine Ideologie des Mordes und des Todschlags, meine Damen und Herren, die uns einreden will, wie wir in Deutschland heute und híer zu leben haben.“

Drei Sätze, jeder Satz ein Knaller. Nähme man es wörtlich, was der Herr Brandner hier sagt, wäre er ein Fall für die Psychiatrie, Abteilung Verfolgungswahn: Eine aus der DDR stammende Ideologie des Mordes und des Totschlags bestimmt heute unser Leben, und dafür verantwortlich ist die Antifa? Ich erlaube mir, dass jetzt mal nicht widerlegen zu wollen, denn es ist offenkundig für jeden denkenden Menschen eine absurde Behauptung.

Aber ich verstehe schon, was Herr Brandner uns eigentlich mitteilen will: Ihr wollt Opfer sein von staatlicher Verfolgung, wie damals in der DDR. Aber ich muss Euch sagen: Ihr seid keine Opfer staatlicher Verfolgung, im Gegenteil: Ihr sitzt im Bundestag oder im Kreistag, ihr dürft auf dem Holzmarkt reden halten wieviel ihr wollt, und erst recht bei Anne Will, ihr erhaltet Millionen vom Staat für jeden Wähler, der euch auf den Leim gegangen ist, und sogar die Thüringer Allgemeine berichtet wohlwollend über eure Versammlung. Was wollt ihr eigentlich noch?

Euer Erfolg als politisch wählbare Alternative genügt Euch nicht. Ihr wollt dennoch Opfer sein, weil immer noch lange nicht alle gut finden, was Ihr sagt. Einige stellen Euch sogar in die rechtsextreme Ecke. Damit, das wollt Ihr uns allen Ernstes erzählen, seid Ihr verfolgt wie damals die Bürgerrechtler und Dissidenten im Realen Sozialismus, die sie zu hunderttausenden in den Gulag gesteckt und umgebracht haben.

An dieser Stelle wird es spannend. Jetzt mal aufgepaßt: Wer nämlich abweichende Meinungen und politische Kritik als Verfolgung geißelt, gibt zu verstehen, was er eigentlich vorhat: diese „Verfolgung“ zu beenden, indem er mit einer „rotgrün-versifften Leitkultur“ aufräumt. Indem Ihr, liebe AfD in Arnstadt, Euch über eine „Verfolgung“ beschwert, die es nicht gibt, gebt Ihr kund, dass Ihr alle, die nicht so denken wie Ihr, verfolgen werdet, sobald Ihr an der Macht seid.

Das, worüber Ihr euch beschwert, das wollt Ihr selbst installieren: ein autoritäres Regime, das Andersdenkende verfolgt. Das scheint mir die Dialektik Eurer Propaganda zu sein. Und es wird unsere sein, diese Propaganda bloßzulegen und eine freie und plurale Gesellschaft zu verteidigen, die verschiedenen Lebensentwürfe ermöglicht und verschiedene Begriffe von Heimat, und die sogar Leute wie Euch, die uns an den Kragen wollen, behandelt wie ehrbare Bürger, die man freundlich grüßt, wenn man sich auf dem Holzmarkt begegnet.

Dr. Jan Kobel, 11.12.2018
(Lesen Sie hierzu auch unser Editorial vom 12.12.2018)

Flugblatt der Kungebung des Arnstädter Bündnisses gegen Rechtsextremismus:

 

6 Gedanken zu “Wollt Ihr den autoritären Staat? // Offener Brief an die AfD in Arnstadt

  1. Wollen Sie die Arnstädter mit diesem Pamphlet beeindrucken? Das schaffen Sie garantiert nicht! Schon alleine der Untertitel des Fotos „100 waren gekommen“ ist ein Witz! 30 – 40 Personen standen da als verlorenes Häuflein auf dem Platz! Eine Woche zuvor waren fast 10x soviele Personen da! Natürlich auch ca. 30 Gegendemonstranten, lt.TA aus dem „bürgerlichen Spektrum“! Dass es sich dabei nicht um ein bürgerliches Spektrum, sondern um linke Krawallmacher handelte, dazu von Ihrer Seite keine Erwähnung! Übrigens wo waren die Krawallmacher vom Montag davor? Die Personenzahl wäre doch deutlich größer gewesen. Vermutlich wußten die noch nicht mal das eine Veranstaltung, organisiert von der „Bürovorsteherin“ der grünen Henfling, stattfinden sollte. Dann Herr Kobel maßen Sie sich als Zugezogener an, sich ein Urteil über Arnstädter Bürger bilden zu können, welche an der AfD Demo teilgenommen haben und auch bei den 89er Demos dabei waren. Ich bin nur froh, das sich Ihre Ambitionen, Bürgermeister unserer schönen Stadt zu werden, nicht erfüllt haben. Auch wenn Sie gegen Herrn Dill immer wieder intrigiert haben. Mit diesem Schreiben haben Sie sich vermutlich, außer bei den Neu-Arnstädtern, bestimmt keine Freunde gemacht!

    • Sehr geehrter Herr Frank, nur zu den Fakten: Madeleine Henfling hatte mit der Kundgebung am 10.12. in Arnstadt nichts zu tun, und ich hatte nie vor, für das Bürgermeisteramt zu kandidieren.
      Mit freundlichen Grüßen JK

    • Herr Frank,
      wie kommen sie darauf, dass die Versammlung von mir oder Frau Henfling organisiert worden ist?

      Ich – Frau Hennig – habe ausschließlich NUR den Aufruf in der TA geschrieben und somit Werbung für diese Versammlung gemacht.

      Frau Henfling war weder anwesend, noch hat sie mit organisiert!

      …und die „Bürovorsteherin“ verbiete ich mir!!! Ich arbeite in keiner Kanzlei, sondern bin die Mitarbeiterin/Angestellte einer Landtagsabgeordneten.

      Diana Hennig

      • Aus aktuellem Anlass: Kommentare, die Wohnort und Arbeitsplatz Dritter aufführen, veröffentlichen wir nicht, bzw werden wir auf Facebook löschen.

      • Kommentar gestrichen: Beiträge, die Adressen oder Arbeitsplatz anderer auflisten, veröffentlichen wir nicht bzw löschen wir auf Facebook.

  2. Sehr guter Beitrag im Spiegel vom 7.12.2018, oder warum es keinen Sinn macht, gegenüber den Lügen populistischer Parteien auf Tatsachen zu pochen. Weil nämlich jeder weiß, dass es Lügen sind. Das zeichnet gerade die Entschlossenheit der Parteigänger aus:

    „Mit anderen Worten: Dreiste, unverhohlene Lügen sind keine Aussagen über Dinge. Sie sind Taten, die weitere Taten vorbereiten. Das gilt auch, wenn AfD-Funktionäre, obwohl Dauergäste im Talkshow-Karussell, sich stilisieren zu Opfern einer »Meinungsdiktatur«, denen man den Mund verbiete. Sie kündigen damit ihre Absicht an, bei der ersten Gelegenheit die Demokratie zu zerschlagen und den Terror zur Notwehr umzulegen.“
    Von Manfred Dworschak:
    https://blendle.com/i/der-spiegel/angriff-auf-die-wirklichkeit/bnl-derspiegel-20181207-6affc7bdfa7?fbclid=IwAR1IC7fRPNpRLvbJwwNI6yPQxVUa8gjIu7e0WSKk09WyC7hkgo-beWJu_v8&sharer=eyJ2ZXJzaW9uIjoiMSIsInVpZCI6ImphbmtvYmVsIiwiaXRlbV9pZCI6ImJubC1kZXJzcGllZ2VsLTIwMTgxMjA3LTZhZmZjN2JkZmE3In0%3D

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert