Dieser Blog ist seit 2021 geschlossen.
In zahlreichen Artikeln beschäftigten wir uns seit 2015 mit den Entwicklungschancen der Stadt Arnstadt. Viele dieser Artikel haben interessanterweise kaum an Aktualität verloren, und bleiben hier gelistet.
Gleiches gilt für das Printprojekt Neuer Arnstädter Anzeiger, der viermal erschien zwischen dem Dezember 2015 und dem September 2017.
Leider gelang es nicht, in der Bürgerschaft ausreichend Mitstreiter zu finden für eine dauerhafte und kritische Begleitung der kommunalpolitischen Gremien Arnstadts.
So ist dieser Blog inzwischen ein Stück Zeitgeschichte der Stadt Arnstadt und soll als dieses erhalten bleiben.
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Arnstadt, den 12. Dezember 2018:
Der Kampf um Vernunft, Sachverstand und Mäßigung bleibt auch in der Kommunalpolitik ein Dauerkampf
Über drei Jahre nun gibt es den Blog Arnstadt-wohin, entstanden im Oktober 2015 aus dem Widerstand gegen die zerstörerischen Maßnahmen eines Bürgermeisters und dessen propagandistischer Hauspostille, der Thüringer Allgemeinen. Wenn auch im Mai 2018 die Wahl des neuen Bürgermeisters Frank Spilling, auf dessen Schultern heute große Hoffnungen liegen, erstmal Ruhe in die Stadt gebracht hat, so stehen die nächsten (wahlkämpferischen) Auseinandersetzungen bereits vor der Tür. Die AfD wird im April 2019 auch in Arnstadt in das Stadtparlament einziehen.
Leider wird damit nicht nur eine dritte rechts-konservative Partei mitbestimmen, sondern eine Partei, die Größeres vorhat: Die AfD will diese Gesellschaft grundsätzlich umkrempeln. Ihr genügt es nicht, innerhalb politischer Strukturen Entscheidungen nach ihrem nationalistischen oder völkischen Horizont zu beeinflussen, sie will diese Strukturen ändern. Die AfD will Lebensentwürfe, Familienformen, diskursive Räume und Heimatbegriffe autoritär verordnen und damit tief in die Sphären des Privaten unserer pluralen Gesellschaft eingreifen. Dass mit einem solchen Programm die „Volksfeinde“ schnell ausfindig gemacht sind, versteht sich von selbst.
Es ist also wieder Wahlkampf in Arnstadt. Auch wenn die beiden (Ab-)Wahlkämpfe gegen den vormaligen Bürgermeister sehr emotional waren, so blieben sie doch immer lokale Scharmützel. Die AfD aber ist eine Bedrohung der Grundfeste dieser Gesellschaft. Diese wiederum wird sich daran beweisen, ob sie diese Bedrohung erkennt. Wir von Arnstadt-wohin wollen diesen Kampf um Sachverstand, Kompromiss und Mäßigung hier vor Ort führen. Gestern haben wir damit begonnen, mit der Unterstützung einer Kundgebung und einem Offenen Brief an die Arnstädter AfD:
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Liebe AfD in Arnstadt,
wir leben hier in einer Kleinstadt, und wir kennen uns. Da überlegt man dreimal, wem man welches Wort hinterherwirft, denn man möchte sich auch morgen noch in die Augen schauen können. Und man fragt sich ja auch machmal: Haben sie vielleicht doch irgendwo recht? Ein klein wenig zumindest?
Nun habt Ihr beschlossen, den Wahlkampf zu den Kommunalwahlen im Mai 2019 in der Weihnachtszeit zu eröffnen. Mit „Montagsdemonstrationen“ am Schauplatz der ersten Kundgebungen der Wendezeit 1989 in Arnstadt. Das finde ich ziemlich gewagt. Denn damals demonstrierten die Menschen für offene Grenzen und Meinungsvielfalt im Sinne einer pluralen Gesellschaft. Beides, wenn ich nicht irre, könnt Ihr heute gar nicht mehr leiden. Manche in Arnstadt nehmen euch diese Selbstinszenierung als Wahrer der Werte der Wendezeit ziemlich übel, und sie rufen euch zu: Nicht in unserem Namen! Zu recht.
Ich nehme Euch erstmal nichts übel. Ich will nur verstehen, wie ihr tickt und was Ihr wollt. Deshalb habe ich mir eure Facebook-Videos angeschaut von eurer Kundgebung in Arnstadt am 3.12.2018. Da sagt der aus Berlin angereiste MdB der AfD, Stefan Brandner, folgenden Satz:
„Die Ideologie der DDR lebt fort. Die Stasi von damals ist die Antifa von heute.
Es ist eine Ideologie des Mordes und des Todschlags, meine Damen und Herren, die uns einreden will, wie wir in Deutschland heute und híer zu leben haben.“
Drei Sätze, jeder Satz ein Knaller. Nähme man es wörtlich, was der Herr Brandner hier sagt, wäre er ein Fall für die Psychiatrie, Abteilung Verfolgungswahn: Eine aus der DDR stammende Ideologie des Mordes und des Totschlags bestimmt heute unser Leben, und dafür verantwortlich ist die Antifa? Ich erlaube mir, dass jetzt mal nicht widerlegen zu wollen, denn es ist offenkundig für jeden denkenden Menschen eine absurde Behauptung.
Aber ich verstehe schon, was Herr Brandner uns eigentlich mitteilen will: Ihr wollt Opfer sein von staatlicher Verfolgung, wie damals in der DDR. Aber ich muss Euch sagen: Ihr seid keine Opfer staatlicher Verfolgung, im Gegenteil: Ihr sitzt im Bundestag oder im Kreistag, ihr dürft auf dem Holzmarkt reden halten wieviel ihr wollt, und erst recht bei Anne Will, ihr erhaltet Millionen vom Staat für jeden Wähler, der euch auf den Leim gegangen ist, und sogar die Thüringer Allgemeine berichtet wohlwollend über eure Versammlung. Was wollt ihr eigentlich noch?
Euer Erfolg als politisch wählbare Alternative genügt Euch nicht. Ihr wollt dennoch Opfer sein, weil immer noch lange nicht alle gut finden, was Ihr sagt. Einige stellen Euch sogar in die rechtsextreme Ecke. Damit, das wollt Ihr uns allen Ernstes erzählen, seid Ihr verfolgt wie damals die Bürgerrechtler und Dissidenten im Realen Sozialismus, die sie zu hunderttausenden in den Gulag gesteckt und umgebracht haben.
An dieser Stelle wird es spannend. Jetzt mal aufgepaßt: Wer nämlich abweichende Meinungen und politische Kritik als Verfolgung geißelt, gibt zu verstehen, was er eigentlich vorhat: diese „Verfolgung“ zu beenden, indem er mit einer „rotgrün-versifften Leitkultur“ aufräumt. Indem Ihr, liebe AfD in Arnstadt, Euch über eine „Verfolgung“ beschwert, die es nicht gibt, gebt Ihr kund, dass Ihr alle, die nicht so denken wie Ihr, verfolgen werdet, sobald Ihr an der Macht seid.
Das, worüber Ihr euch beschwert, das wollt Ihr selbst installieren: ein autoritäres Regime, das Andersdenkende verfolgt. Das scheint mir die Dialektik Eurer Propaganda zu sein. Und es wird unsere sein, diese Propaganda bloßzulegen und eine freie und plurale Gesellschaft zu verteidigen, die verschiedenen Lebensentwürfe ermöglicht und verschiedene Begriffe von Heimat, und die sogar Leute wie Euch, die uns an den Kragen wollen, behandelt wie ehrbare Bürger, die man freundlich grüßt, wenn man sich auf dem Holzmarkt begegnet.
Dr. Jan Kobel, 11.12.2018
Flugblatt der Kungebung des Arnstädter Bündnisses gegen Rechtsextremismus vom 10.12.2018:
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Arnstadt, den 20. September 2017:
Der Wochenmarkt ist das soziale Herz der Stadt. Wir sollten ihn besser pflegen. Damit er für alle attraktiver wird.
„The Wall“ – Der Arnstädter Markt zeigt der Stadt sein Hinterteil. Hier der Eisdiele von Massimo und Patrizia. Drehte man die Autos um, würden Marktbesucher, Café-Gäste und Passanten einen gemeinsamen Raum erleben. So aber werden letztere ausgesperrt. Wer denkt sich sowas aus? Oder hat niemand bislang darüber nachgedacht?
Unser ausführlicher Artikel zum Thema „Wochenmarkt“ hier:
https://arnstadt-wohin.de/das-soziale-herz-der-stadt-der-arnstaedter-wochenmarkt
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Arnstadt, den 20. Juni 2017
Die Kasseler Treppe: eine Vision für Arnstadt (Fotomontage)
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Arnstadt, den 25. April 2017
(erschienen auch als Artikel)
Glanz und Elend der kommunalen Verwaltung in Thüringen
Eine Stadt voller Ideen – eine Stadt ohne Ideen. So könnte man Arnstadt auch beschreiben. Ein Film des MDR, ausgestrahlt Ende 2016, nannte Arnstadt „wunderbar verwandelt“ – nicht ohne zu betonen, dass die meisten der wundersamen Verwandlungen des schönen Arnstadt auf private Initiativen zurückgehen. Auch so kann man es ausdrücken.
Ganz anders die Stadt Bad Langensalza, ein Katzensprung von Arnstadt entfernt, auf der anderen Seite von Gotha. Hier hat ein Bürgermeister und seine Verwaltung Brachen, Leerstand, Kriegsschäden in eine Garten-, Kur- und Wasserstadt mit bisweilen mediterranem Flair verwandelt, die in Thüringen ihresgleichen sucht. Eine Stadt übrigens, die 1994 ihren Status als Kreisstadt verloren hat, was ihr offenkundig nicht geschadet hat. Auch über Bad Langensalza dreht das MDR-Team einen Film: Entdecke wo du lebst / Bad Langensalza.
Die beiden Filme könnten unterschiedlicher kaum sein. Zwar zeigen beide zahlreiche Beispiel gelungener Altbausanierung, aber während der Film über Arnstadt sich auf die privaten Initiativen der Eigentümer und Bürger beschränken muß, sind in Bad Langensalza die zahlreichen ungewöhnlichen Stadtprojekte das Thema: die Rosen- und Tee-Gärten, das Konzept der Vorsanierung verwahrloster Gebäude, das Verbot der Hinterhofbebauung, die Gestaltungs- und Ideen-Wettbewerbe, die Begrünung der Altstadt mit großen mediterranen Kübelpflanzen, die Umnutzung alter Scheunen zur „Rumpelburg“ (einem Riesenspielplatz für Kinder!), die neu gestalteten offenen Travertin-Wasserläufe und Wasserspiele und – eine Bauhaus-Neubausiedlung inmitten der Altstadt.
Ein Denkmal von und für einem/n Bürgermeister – in Bad Langensalza
Entsprechend steht ein Bürgermeister im Mittelpunkt des Filmes über die Stadt. Bernhard Schönau ist seit 23 Jahren Bürgermeister von Bad Langensalza, und er hat gezeigt, was ein Bürgermeister bewegen kann, wenn er es will. Chapeau, Herr Schönau. Die Bürger lieben Sie, und sie werden Ihnen einst ein Denkmal setzen.
Vielleicht erging es Arnstadt von vornherein zu gut, nach der Wende. Die Stadt liegt am Autobahnkreuz, ist Eisenbahn-Knotenpunkt, hatte kaum Kriegsschäden und Brachen und bekam von der Landesentwicklungsgesellschaft ein riesiges Gewerbegebiet vor seine Tore gesetzt. Ganz anders als das abseits gelegene Bad Langensalza. Warum also noch anstrengen? Läuft doch alles wie von selbst?
Aber die Zeiten ändern sich, und heute stellen wir fest, dass ein Industrie- und Gewerbestandort florieren und die Arbeitslosigkeit immer mehr sinken kann – und dennoch die Stadt Menschen verliert, die Altstadt verwaist und die Leerstände zunehmen, die Gastronomie und der Einzelhandel ums Überleben kämpfen. Denn die vielen Arbeitskräfte sind Pendler, und die wohnen einfach sonstwo, nur nicht in Arnstadt. Auch eine Konsequenz einer phantastischen Infrastruktur! So arbeitet man zwar jahrein-jahraus auf Arnstädter Grund, kennt von der Stadt aber nur die Autobahn-Anschlussstelle und die Bachkirche nur als großes braunes Hinweisschild.
Ganz neue Konzepte sind gefragt, die die Menschen in Ihren Städten halten und es schaffen, dass sie sich identifizieren mit und einsetzen für Ihre Stadt. Konzepte, die junge Leute und Familien, denen die steigenden Mieten und die Hektik der Metropolen zunehmend auf die Nerven und den Geldbeutel gehen, hierher locken können. Diese Konzepte liegen nicht auf der Straße, aber es gibt sie. So wie in Bad Langensalza. Die machen das so seit 23 Jahren. Arnstadt aber schläft bis heute den Schlaf der Selbstgefälligen und Selbstgerechten. Das Aufwachen könnte böse werden.
Die letzten Fürsten – die Bürgermeister
Was macht eine Kommune aus? Was bewegt eine kleine Stadt nach vorne, macht sie attraktiv, bekannt und liebenswert, oder läßt sie umgekehrt in Engstirnigkeit, Zwietracht, Muff und Perspektivlosigkeit verharren?
Die Menschen selbst können es nicht sein – überall gibt es solche und solche, erst recht in einer Stadt mit über 20.000 Einwohnern. Anderes zu behaupten, wenngleich beliebt („die Arnstädter, Weimarer etc waren schon immer so“) fällt unter die Kategorie: Vorurteile.
Nein, es ist tatsächlich der Bürgermeister.
Denn in diesem kommunalen Amt ballt sich eine Machtfülle, die im Vergleich zu bundes- oder landespolitischen Ämtern nur dadurch zu ermessen ist, dass man sich einen Bundeskanzler vorstellt, der zugleich auch Bundespräsident, Vorsitzender des Parlaments, Chef der Bundesverwaltungen und Aufsichtsratsvorsitzender sämtlicher großer staatseigener Betriebe ist.
Das Amt des Bürgermeisters ist genau genommen eine unverhältnismäßige Überantwortung von Entscheidungshoheit an eine einzige Person, die noch weiter gesteigert wird dadurch, dass diejenigen, die – wohlgemerkt unter ihm, unter seiner Stadtratsleitung(!) und Protokollhoheit – formell die Macht hätten, dem Bürgermeister in die Schranken zu weisen, unbezahlte Ehrenämtler sind, zumeist überlastet und bisweilen überfordert. Der Bürgermeister kann zudem Beschlüsse des Stadtrates beanstanden, wenn ER meint, die würden der Stadt schaden. Auch das auf Bundesebene unvorstellbar!
Eine klare Trennung von „Legislative“ und „Exekutive“ auf kommunaler Ebene? Fehlanzeige! Der Bürgermeister ist Chef auch des Parlaments, das ihn kontrollieren soll, seine Stimme hat bei Pattsituationen doppeltes Gewicht. Er kann sich, selbst fürstlich bezahlt (in Arnstadt B3, das entspricht über 7.000,00 €), nach freiem Ermesse ebenfalls gut bestallte Spezialisten der Verwaltung und Jurisprudenz an seine Seite holen, die nichts anderes zu tun haben als seine Interessen in die Form scheinbar unwidersprechlicher Beschlussvorlagen zu bringen.
Und schließlich die Haushaltsmacht! Ein Bürgermeister kann beschließen, dass es keinen Haushalt gibt, so wie in Arnstadt 2015 geschehen. Was geschieht dann mit den Einnahmen der Stadt? Der Bürgermeister entscheidet ganz allein über die 33 Mio.€ des städtischen Haushaltes, ohne den Stadtrat beteiligen zu müssen. Ein weiterer Irrsinn kommunalpolitischer Gesetzgebung! Wir haben auf diesem Blog detailliert dokumentiert, wie das in Arnstadt abgelaufen ist, mit allen katastrophalen Folgen für Kultur und Infrastruktur.
divide et impera: Wissen und Ausschluss vom Wissen als Mittel der Macht
Dabei ist es nicht nur die formale Machtfülle des Amtes, die den Bürgermeister zum autoritären Alleinherrscher einer Kleinstadt macht. Es ist auch sein Wissensvorsprung. Er alleine sitzt in sämtlichen städtischen Unternehmen, zumeist als Vorsitzender: der städtischen Wohnungsbaugesellschaft, den Stadtwerken, den Kultur- und Tourismus-Betrieben, den Stiftungen und Sozialeinrichtungen, den Sparkassen und Wasserbetrieben, den Zweck- und Verkehrsverbänden. Alles was in einer Stadt an Entscheidungen ansteht, läuft im Vorfeld über den Schreibtisch des Bürgermeisters.
Mit diesem Wissen akkumuliert er weitere Macht: die Macht der Deutungshoheit. „Seine“ Stadträte, Aufsichtsräte, Ausschusskollegen und Verwaltungsratmitglieder werden in der Regel so abstimmen, wie er es will, denn diese sind häufig nur schwerlich in der Lage, die Sachlage aus anderen Quellen heraus zu beurteilen, als jene, die ihnen der Bürgermeister zukommen läßt. Oder auch nicht zukommen läßt. Sind nicht persönliche Interessen und Empfindlichkeiten unmittelbar tangiert – und meist ist das nicht der Fall –, stimmen sie ab, wie er es mit seinen Beratern eingefädelt hat.
Im Nachhinein wundert sich dann manchmal so mancher, wem oder was er da eigentlich zugestimmt hat. Aber ein Trost bleibt stets dabei: Wer mit dem Bürgermeister gestimmt hat, kann ja nichts falsch gemacht haben. Seiner Verantwortung ist man so immer gerecht geworden.
Mit dieser Fülle an alleiniger Entscheidungshoheit, Deutungshoheit, sehr viel Geld und professioneller Unterstützung ist der Fürst der Provinz in der Regel auch Herr über die öffentliche Meinung. Die lokalen Medien finden im „Stadtoberhaupt“, das deswegen ja auch gerne so heißt, zuerst einmal jenen vor, der die Probleme definiert und mit Ihnen auch die Lösungswege vorzeichnet. Die Deutungshoheit des Bürgermeisters und seines Apparates, im kleinen Arnstadt immerhin noch eine Kernverwaltung von knapp 100 Mann, allesamt hauptamtliche Profis auf ihrem Gebiet, gilt auch für den lokalen Boulevard. Das gemeinsame Sekttrinken auf den wöchentlichen Empfängen sorgt zudem für persönliche Vertrautheit. Man kennt sich.
Das Geschenk eines jeden Bürgermeisters an seine Bürger: Orientierung
Den Rest erledigt die Neigung zu autoritärem Verhalten auch von unten: Denn das Wichtigste, das der Stadtfürst seinen Bürgern gibt, sind nicht Wohlstand, Zukunft, Sicherheit, soziale Gerechtigkeit oder Parkplätze, oder wie sonst die Wahlkampfware heißt – nein. Das Wichtigste ist die mit jeder Amtlichen Autorität gegebenen Innere Orientierung, die einem das Entscheiden zwischen dem, was gut und was böse ist, leicht macht.
Das wichtigste Gut, dass jeder Bürgermeister seinen Untertanen schenkt, ist das unbestreitbare Gewissheit, ihm vertrauen zu dürfen. Der macht das schon.
Ob ein Bürgermeister eine gute, sinnvolle, visionäre oder auch nur zukunftsorientierte Politik betreibt, ob er in den Ministerien um Fördermittel kämpft oder die Stadt um Millionen von Fördermitteln bringt, ob er kreativ den Haushalt managed zugunsten in die Zukunft reíchender infrastruktureller Entscheidungen oder sich und seiner Klientel in die Tasche wirtschaftet, ob er externe Beratung und Teamarbeit schätzt oder Kritik als Majestätsbeleidigung ahndet – all das steht auf einen ganz anderen Blatt.
Und als sei all das nicht schon mehr als genug, sind diese modernen Fürsten auch noch nicht vier, nicht fünf, sondern sechs Jahre im Amt. Vor seine Abwahl hat der Gesetzgeber hohe, kaum überwindbare Hürden gebaut, wie es sie für keine vergleichbare demokratische Wahl gibt (Mindestquorum gemessen an Stimmberechtigten!). Glücklich die Stadt, die angesichts dieser fast unbefristeten absolutistischen Machtfülle auf kommunaler Ebene einen Bürgermeister hat, der was will und was kann. Dem diese Machtfülle nicht ins Gemüt steigt, dorthin, wo Arroganz und Hybris lauern, sondern ihn auf dem Teppich verbleiben läßt. Glückliches Bad Langensalza.
Nein, keine Stadt hat ihren Bürgermeister „verdient“!
Ein scheinbar witziger Wahwerbespruch eines Bürgermeisterkandidaten lautete einst:
„Jede Stadt hat den Bürgermeister, den sie verdient.“
Nein, keine Stadt hat den Bürgermeister, den Sie verdient, weder im guten noch im schlechten. Denn keine Stadt hat einen schlechten Bürgermeister verdient, und ein guter Bürgermeister ist umgekehrt auch nicht das Verdienst einer Stadt und ihrer Bürger. Einen Stadt hat immer den Bürgermeister, dem es am besten gelungen ist, das Vertrauen ihrer Menschen zu gewinnen. Meist eine Entscheidung aus dem Bauch heraus – wer weiß schon, was wirklich in einem Menschen vorgeht?
Mal geht es gut, mal läuft es schief. In Arnstadt ist es gehörig schief gelaufen, schiefer geht es nicht. Da sich an der Machtfülle des Stadtfürsten auch in der nächsten Legislatur, die im Sommer 2018 beginnt, nichts ändern wird – Kommunalreform hin oder her –, bleibt nur zu hoffen, dass diesmal ein Ruck geht durch diese Stadt und die Bürger und Bürgerinnen sich sagen:
Nein, das haben wir nicht verdient. Auch wir wollen einen Bürgermeister, dem wir irgendwann ein Denkmal setzen können, weil wir spüren und erkennen, was er geleistet hat für unsere Stadt. Wir werden alle genauer hinschauen, wem wir das nächste Mal eine solche Machtfülle über einen so langen Zeitraum anvertrauen.
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Arnstadt, den 10. Februar 2016
von Dr. Jan Kobel
Arnstadt ist eine Stadt in der Mitte Thüringens mit scheinbar besten Bedingungen für ein blühendes Gemeinwesen. Eine schöne historische Altstadt, kulturelle Schätze aller Art, ein großes und expandierendes Gewerbegebiet, eine stetig sinkende Arbeitslosigkeit, beste Verkehrsanbindungen und eine über Jahrhunderte gewachsene Kulturlandschaft zwischen Ebene und Bergen.
Aber seit Jahren bleibt Arnstadt hinter seinen Möglichkeiten zurück. Während sich Thüringer Städte mit deutlich schlechteren Ausgangsbedingungen gut entwickeln, scheint über der Bachstadt an der Gera ein Nebel von Depression und Stagnation zu liegen. Während viele Thüringer Städte inzwischen zukunftsweisend mit dem dringend notwendigem Breitbandnetz ausgestattet sind, antwortet der hiesige Energieversorger auf eine Anfrage des Stadtrates mit der Behauptung, die Stadtwerke Arnstadt hätten „keine Erfahrung mit dem Betrieb von Kommunikationsnetzen“. Dies ist von den jeweiligen Stadtwerken, die die Verlegearbeiten der Glasfaserkabel planen und organisieren, allerdings gar nicht gefordert. Wie es auch gehen kann, zeigt das Beispiel Mühlhausen. Auf diesem Blog hierzu unser ausführlicher Beitrag.
Und während überall in Thüringen Städte mit deutlich geringerem Pro-Kopf-Steueraufkommen als Arnstadt ihre kulturellen und touristischen Angebote ausbauen, werden hier Jahr für Jahr kulturelle Einrichtungen zerstört oder beschädigt.
Manches, zum Beispiel die vom Bürgermeister forcierte Schließung des erfolgreichen kleinen Bespieltheaters im Schlossgarten, hat der Stadtrat bis heute verhindern können – dank einer zunehmenden fraktionsübergreifenden Zusammenarbeit und Professionalisierung der drei wichtigsten Parteien und Fraktionen. Zugleich hat der Abwehrkampf der ehrenamtlichen tätigen Stadträte gegen einen beratungsresistenten Bürgermeister und dessen hochbezahlten Stab von Verwaltungexperten etwas von einem Sisyphos-Akt.
Deshalb waren am 24. Januar des Jahres 2016 die Arnstädter Bürger aufgefordert, dem Vorschlag einer 2/3-Mehrheit des Stadtrates zu folgen und den amtierenden, seit 3,5 Jahren im Amt befindlichen Bürgermeister nach Hause zu schicken. Eine deutliche Mehrheit von knapp 55% der Wähler tat dies auch – zu wenig aber nach den Vorgaben der Thüringer Kommunalverordnung. Denn diese verlangt, dass nicht nur eine Mehrheit, sondern zugleich über 30% der WAHLBERECHTIGTEN diesem Vorschlag folgen. Eine ungemein hohe Hürde in Zeiten, wo die Wahlbeteiligungen selten noch die 50 % erreicht. Bei einer Wahlbeteiligung von knapp über 40% hätte dies eine Mehrheit gegen den Bürgermeister von 75% erfordert.
Das Abwahl-Bündnis aus Stadträten und Bürgern bedankt sich ganz herzlich bei allen, die den Wahlkampf gegen den Bürgermeister unterstützt haben und wertet das Abstimmungsergebnis auch als Auftrag. Die verantwortlichen Kräfte des Arnstädter Stadtrates haben bis heute immer wieder die Unfähigkeit des Verwaltungschefs, auch nur einen Haushaltentwurf zu erstellen, kompensiert. So werden sie auch die noch bleibenden gut zwei Jahre bis zur Neubesetzung des Amtes ihre Stadt vor einem in Denk- und Sprachschablonen erstarrten Bürgermeister und seinen ihm unbeirrt beistehenden Unterstützen in Politik und Presse schützen, soweit es in ihrer Macht steht.
Dieser Blog wird weiterhin sowohl die Absurditäten der Regentschaft Alexander Dills als auch die wirklich wichtigen Fragen der Entwicklung der Stadt Arnstadt dokumentieren und diskutieren. Es kann nur und es wird auch wieder besser werden.
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Arnstadt, den 07. November 2015
von Dr. Jan Kobel
Seit über drei Jahren ist Alexander Dill Bürgermeister der Stadt Arnstadt, nachdem er im Mai 2012 in einer Stichwahl eine Mehrheit der Stimmen auf sich vereinen konnte. Er profitierte von einer Wechselstimmung nach achtzehn Jahren Christian Köllmer, von einem zerstrittenen konservativen Lager, einer einfallsreichen Kampagne und davon, dass viele Bürger seinen Versprechungen von Transparenz, Bürgerbeteiligung, Fairness und Respekt vertrauten. Darunter auch einige der Herausgeber dieses Blogs. Mancher von uns hat seinen Wahlkampf unterstützt.
Was wir seitdem erleben, ist nicht nur persönlich eine Enttäuschung und ein Hohn auf Wahlversprechungen. Was schwerer wiegt, ist dass die Stadt Arnstadt unter Alexander Dill seit Jahren eine Stadt ohne Planung, ohne Perspektive und ohne Management ist – und sei es Krisenmanagement. Anstatt gemeinsam mit dem Stadtrat, der fraktionsübergreifend immer dazu bereit war, einen Ausweg aus der angespannten finanziellen Situation zu suchen, nutzt dieser Bürgermeister als Chef der Verwaltung sein exklusives Wissen und die starke rechtliche Stellung seines Amtes chronisch und ausschließlich dafür, das höchste Gremium dieser Stadt, den Stadtrat, im Unwissen zu halten, zu hintergehen und an ihm vorbei Fakten zu schaffen.
Alexander Dill hat die Stadtmarketing Arnstadt GmbH zerstört, ohne eine Konzeption, wie die wichtigen Funktionen Wirtschaftsförderung, Tourismusmanagement und Kulturbetrieb weitergeführt werden sollen. In seinem Krieg gegen den Kapitän dieser städtischen Gesellschaft hat er gleich das ganze Schiff versenkt, und es scheint ihm völlig egal zu sein, dass Arnstadt heute weder eine städtische noch eine touristische noch eine wirtschaftliche Entwicklungsplanung hat. Ganz nebenbei läßt er so auch noch das Bach-Festival der Bachstadt sterben, ohne dass darüber überhaupt noch gesprochen würde.
Alexander Dill hat die Haushaltslage der Stadt in undurchsichtiger und widersprüchlicher Weise jahrelang in einer Art und Weise dramatisiert, dass bis heute kein Mitglied des Stadtrats wirklich weiß, wie es darum steht. Er hat den Stadtrat dazu gebracht, ohne Not den Kassenkredit von 5,9 Mio auf 9,23 Mio Euro zu erhöhen, und damit – und nur damit – ein Haushaltssanierungskonzept gesetzlich erzwungen – obgleich seitdem nicht ein einziges Mal dieser Kreditrahmen auch nur zur Hälfte beansprucht wurde.
Alexander Dill missachtet seit Jahren Beschlüsse des Stadtrates, welcher – zum Beispiel – die Sanierungspläne der städtischen Wohnungsbaugesellschaft WBG für deren Wohnungen bestätigt hat und umgesetzt sehen will. In seiner Ablehnung des Geschäftsführer der WBG, dem er ohne Begründung und Grund die Entlastung verweigerte, geht er soweit, durch eine Politik der Blockade diesem Unternehmen einen dauerhaften Leerstand aufzuzwingen und damit schweren finanziellen Schaden zuzufügen.
Dies sind nur drei Beispiele unter vielen, die dazu beitragen, dass Arnstadt stagniert, ja sich rückwärts entwickelt! Eine Stadt mit dem – hinter Jena – zweithöchstem Steueraufkommen pro Kopf in Thüringen, gelegen inmitten einer wirtschaftlich aufblühenden Region und mit dem größten Industriegebiet Thüringens vor ihren Toren! In dreieinhalb Jahren hat es dieser Bürgermeister nicht vermocht, programmatisch zu erklären, welche Ziele er mit welchen Maßnahmen verfolgen möchte und wo er Arnstadt in Zukunft sieht.
Alexander Dill ist schon mit den einfachsten Aufgaben der Verwaltung der Stadt vollkommen überfordert, da er nicht in der Lage ist, zu leiten, zu delegieren und zu vertrauen. In den Verwaltungen, auch des Kreises und des Landes, und in den politischen Spitzengremien Thüringens ist dieser Zustand längst als Problem erkannt, ist doch Arnstadt und der Ilmkreis aus Landessicht keine unbedeutende Kommune. Doch das Amt des Bürgermeisters ist durch den Gesetzgeber als ein starkes Amt eingerichtet, und dem Bürgermeister, direkt vom Volk gewählt, ist Respekt und Kredit einzuräumen.
Irgendwann jedoch ist der Punkt erreicht, an dem zum Wohle unserer Stadt die Reißleine gezogen werden muss. Bei allem Respekt vor Amt und Person haben deshalb 21 Stadträte und Stadträtinnen – frei von jedem Fraktionszwang – beschlossen, von ihrem demokratischem Recht Gebrauch zu machen und ein Abwahlverfahren einzuleiten. Nun sind die Bürger und Bürgerinnen der Stadt aufgefordert, darüber zu befinden, ob dieser Bürgermeister im Amt bleiben soll – oder nicht.
Wir wollen mit dieser Internet-Zeitung die Amtsführung Alexander Dills dokumentieren, rechtliche Hintergründe erläutern, Gerüchte überprüfen und die öffentliche und veröffentlichte Meinung nicht alleine dem lokalen Medium überlassen. Wir wollen, müssen und werden den Bürgerinnen und Bürgern Arnstadts deutlich machen, warum diese Stadt dringend einen Neustart benötigt.